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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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erreicht. Das Brennen wird unerträglich. Ich habe 40 Grad Fieber. Selbst mein Gesicht, das bisher verschont geblieben war, ist feuerrot. Überall bilden sich Blasen. Meine Kopfhaut ist verkrustet, nur meine Knöchel scheinen zu schweben. Ich habe den Boden unter den Füßen verloren. Laetitia setzt sich auf mein Bett, um mir von ihren Ferienplänen zu erzählen. Ich bin der Ohnmacht nahe und bitte sie, sich um ihren kleinen Bruder zu kümmern. Ich muss ins Krankenhaus, ich kann nicht mehr.
     
    Sie reagiert so, wie Béatrice es getan hätte. Sie alarmiert meine Freunde, die mich ins Saint-Jean-de-Malte bringen. Ich habe den Bau dieses Zentrums für schwerstbehinderte Menschen im Herzen von Paris genau mitverfolgt. Ich war der Behinderte vom Dienst für die Honoratioren der Stadt, den Regionalrat und die Geldgeber. Marie-Odile, die Leiterin, hat letzte Hand an die Fertigstellung der Einrichtung gelegt. Vor drei Monaten war ich noch dort, um es Sabrya zu zeigen. Wir haben mit Marie-Odile zu Mittag gegessen, umgeben von Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen. Sabrya war sehr still. So viel Elend auf einmal hat sie eingeschüchtert.
     
    Marie-Odile quartiert mich in einem Studio mit Kochnische, Wohnzimmer und Bad ein. Es liegt im Erdgeschoss und geht auf einen baumbestandenen Innenhof hinaus. Alle Bewohner haben ein eigenes Studio und können sogar mit ihrer Familie dort wohnen. Es dauert drei Tage, bis mir klar wird, wo ich bin.
     
    Meine Pflegeassistentinnen, Emmanuella und Fabienne, kümmern sich unermüdlich um mich. Ich bin ihnen für ihr Lächeln dankbar. Fabienne mit den grünen Augen stammt von den Antillen. Ihr Vater war Bretone. Ich nenne sie die Bretonin. Sie ist alleinerziehend, hat eine sechsjährige Tochter. Emmanuella ist eine hübsche junge Frau aus Guadeloupe. Ihr knallroter Lippenstift holt mich wieder ins Leben zurück. Dann gibt es noch Brigitte. Die Bewohner teilen sich in zwei Lager: Für die einen ist Brigitte die Schönste, die anderen stimmen für Foulé, eine hinreißende Senegalesin. Ich tendiere zu Foulé, obwohl sie alle reizend sind. Selbst die kleine Nicole, die auch mürrisch hätte sein können, lächelt mir zu und tröstet mich.
    Die Schmerzen lassen nicht nach. Den Pflegerinnen ist es gelungen, mich hinzusetzen, und ich nehme an den gemeinsamen Mahlzeiten teil. Ich selbst esse zwar nichts, aber ich bin mit den anderen zusammen. Jean-Paul, Tetraplegiker, ist genauso alt wie ich und hat dasselbe von Allergien gerötete Gesicht. Was Armand hier macht, weiß ich nicht so recht: Er kann laufen. Im Schwimmbad habe ich ihn einmal seine Bahnen ziehen sehen wie ein Champion. Er isst bis zu fünf Scheiben Fleisch pro Mahlzeit und seine Hände zittern. Mit Jean-Marc, einem Achtundzwanzigjährigen aus Martinique, habe ich mich angefreundet. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Blick ist voller Optimismus. Er bringt uns zum Lachen, baut uns auf. Er ist der Einzige, dessen Frau und Kinder mit ihm im Studio wohnen.
    Eine kleine Dame, deren Alter sich schwer schätzen lässt, geht mit Hilfe eines Stocks. Ich glaube, am liebsten würde sie das Zentrum gar nicht mehr verlassen. Corinne, eine rothaarige Vierzigjährige, war Alkoholikerin; die Augen sind das Einzige an ihr, was noch eine Spur von Lebendigkeit ausdrückt. Eva, die Polin, hält immer den Kopf gesenkt. Sie leidet unter denselben Schmerzen wie ich und hat sich aufgegeben.
     
    Der junge Eric schreibt für die Leiterin sein Herzensprojekt auf: Er will in Schulen von seiner Krankheit sprechen, der zerebralen Kinderlähmung. Ausführlich und mit der für Spastiker typischen mühsamen Artikulation erzählt er mir von seinen Ängsten. Oft wünscht er sich, seinem Leben ein Ende zu setzen, aber er wagt es nicht, weil sein Vater und seine drei Brüder sagen, dass man kein Recht dazu hat.
     
    Michel, ein riesiger, ziemlich beschränkter Kerl, neigt sich ständig auf die Seite seines rechten Auges, das tränt und dessen Lid herabhängt. Er redet ganz langsam. Die Pflegeassistentinnen drängeln ihn immer, weil er mehr aus sich machen könnte, aber nicht den Mumm dazu aufbringt. Eric und er können einander nicht ausstehen. Ich glaube, sie sind in dieselbe Frau verliebt. Trotz seiner verkrümmten Arme droht Eric damit, ihm eine herunterzuhauen; sein Gegner schweigt und streckt mit unendlicher Langsamkeit seinen enormen Arm aus.
     
    Monsieur Baillet ist an einem Brett auf seinem Elektrorollstuhl festgeschnallt. Mit dem rechten

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