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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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in meine lädierte Lunge einzuatmen. In meiner zu Asche gewordenen Erinnerung ist eine neue Glut erwacht. Lange habe ich in der Wüste die warmen Dünen betrachtet. Ein Zucken durchläuft mich gleich dem Zittern des Sandes. In diese neue Trägheit bin ich ganz und gar eingetaucht.
     
    Ich sitze auf einer Café-Terrasse. Alles verschwimmt. Manchmal verschleiern sich meine Augen und ich verschwinde für einige Momente. Ein Gesicht bringt mich zurück. Die schönen jungen Frauen gehen erstaunt und ein wenig beunruhigt an mir vorbei. Ich will sie mit meinem Lächeln zurückhalten. Unter ihnen sehe ich auch Sie, auch Ihnen lächle ich zu. Ich lasse mich treiben, entzückt von der Unbeständigkeit meiner Realität. Der Augenblick erlischt in diesen widersprüchlichen Momenten. Das Ferne rückt nah, die Gegenwart dehnt sich aus. Die Rhythmen verschmelzen miteinander, kolossal oder flüchtig. Berauschende Verwirrung. Wir begegnen uns in den Wolken. Ich nicke in der Sonne ein. Ich kann das Gleichzeitige nicht mehr vom Aufeinander-Folgenden unterscheiden. Ich kenne nur noch das Ungefähre. Das ist nicht Wahnsinn, höchstens Erschlaffung. Die schwache Spannung löscht meine Spuren – vielleicht ist dies ja endlich die Freiheit. Ich bin frei, bin nicht mehr. Dieser Zustand muss die Vorstufe der Seligkeit sein. Die Vollkommenen.«
     
    24 Wiederholung des Dokumentarfilms À la vie, à la mort von Mireille Dumas.
     
    25 Gängige Abkürzung für Maroccains Résidants à l’Etranger.
     
    26 Wali: Präfekt.

Die Stadt in Rosa
    Geistesabwesend liebkost eine Marrakschi den Schenkel eines Fremden. Eine traurige Gestalt, die sich in einer vorläufigen Ferne verliert. Ob unsere verirrte Gesellschaft diesem schönen Volk schaden wird? An jedem Haus prangt eine verlogene Satellitenschüssel.
    Wissen Sie, dass es die Zeit hier fast nicht mehr gibt? Der Moment wird von zufälligen Begegnungen bestimmt. Eine lange Träumerei begleitet den Schatten der Palme. Über später hat Gott das Sagen. Warum sollten wir nach unseren gehetzten Sekunden fahnden? Die kleinen Nichtigkeiten sind es, die die wechselhafte Zeit skandieren.
    Ein langsamer Storch steigt in die trägen Lüfte auf.
     
    *
     
    Würde es genügen, wenn wir, um heil zu bleiben, alle gemeinsam litten, in stummer Missbilligung der Götter? Gibt es ein unbestimmtes Zeitalter, an das das Böse nicht heranreicht? Im Reich der Schmerzlosigkeit fände man keine Märtyrer mehr.
     
    *
     
    Ich habe Frauen ohne ein Wort an meiner Seite gehalten, damit ihr Duft mir Halt gebe.
     
    Im mitleidlosen Blick eines Kindes spüre ich eine schwache Hoffnung. Seine Frage ist das Unterpfand meines Daseins. Wir tauschen die Andeutung eines Lächelns, ich möchte es trösten. Wie kann man ihm nur die Bedürftigkeit, dieses Paradies der Armen, als einzige Perspektive in Aussicht stellen? Genügsamkeit sei dein Schatz.
     
    *
     
    Den namenlosen Anderen lieben, ohne dass die Verstörtheit wieder auftritt, in der Eintönigkeit der Wüste überleben, auf dem Grab des Nomaden? Niemand hat hier gelebt, armer Teufel, der längst verblichen ist, wie das verwaschene Blau seiner Grabstätte; die Falten hinter der Maske verborgen, bis der letzte Sand unvermittelt fällt. Ich erschauere in der sengenden Sonne, hier und da sind noch einsame Störche. Es ist nicht zu spät.
     
    *
     
    Die üppigen Trauben der Bougainvilleen, der scharlachrote Wasserfall der Kletterrosen, das Plätschern des Brunnens aus ockerfarbenen Zellige-Fliesen, die zitternden Schatten der Olivenbäume würden meinen Alltag verzaubern.
     
    Es gäbe keine Auflehnung mehr.
     
    Ich hasse mich jetzt schon in dieser gefälligen Harmonie. Es darf keine Nachsicht geben, man muss in der Dissonanz bleiben, im rauen Schrei des leidenden Kindes, der heiseren Klage der zerrissenen Mutter, dem Brüllen des einäugigen Mannes. Ich muss die Welt heilen. Mitfühlend werde ich in die Elendsviertel gehen, um den Sterbenden aufzuhelfen, die Waisen aufzunehmen, die Rebellen zu besänftigen. Ich werde in den verklungenen Tönen träumen. Am frühen Morgen werden mich die Geräusche von Unbekannten hellwach antreffen. Aus der Palette der Ungerechtigkeiten werde ich mir die nutzlose Tat aussuchen, die meinen Tag besänftigt.
     
    *
     
    Ich fühle, dass ich immer noch liebe. Die Sehnsucht nach jener Unbekannten nimmt mir die Traurigkeit. Jeden Morgen geht eine schöne Frau mit straffen Brüsten an meiner Palme vorbei, ohne mich anzusehen. Gehen Sie aufrecht, junge

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