Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
heimzahlen möchte. Das sind Rituale, die man aus Militärfilmen kennt, in denen junge Rekruten bei der Ausbildung für eine Spezialeinheit körperlich und psychisch gebrochen oder gar zerstört werden. So, dass am Ende nur die Härtesten übrig bleiben. Ob das jedoch der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln. Natürlich sollen nur die besten Jungs in den Club kommen, aber doch nicht die, die man zuvor jahrelang gequält und kaputt zu machen versucht hat.
Die Vorgeschichte
von Les H.
Natürlich gab es immer mal wieder Vorfälle, bei denen zwei Clubs oder Gruppen aneinandergerieten, und normalerweise regelten das die beiden Gruppen dann unter sich.
Ich erinnere mich noch, wie ich eines Abends mit Peter zusammen in einer Eckkneipe auf Schalke stand. Es waren noch ein paar andere Devils und Ghostrider dabei und wir hatten gerade das zweite Bier bestellt, als fünf Typen mit langen schwarzen Ledermänteln reinkamen, wie in einem Italowestern. Hinter diesen Clowns kamen noch ein paar andere komische Gestalten angeschlichen und es war sofort klar, dass es Ärger geben würde.
Die Jungs waren klassische Straßenschläger, die es einzig und allein darauf angelegt hatten, sich mit anderen zu messen. Und an diesem Abend stand wohl eine Handvoll Rocker auf ihrer Liste – den Typen war die Vorfreude förmlich ins Gesicht geschrieben. Das alte Spiel: Haust du diesen oder jenen um, spricht sich das herum, und schon wieder bist du auf der Respektskala um ein paar Punkte nach oben gerutscht. Solche Typen oder Gruppen sieht man in der Ausprägung eigentlich gar nicht mehr. Keine Ahnung, ob die ausgestorben sind oder ihre Kräfte zu Hause an der Spielekonsole ausleben. Wir jedenfalls standen einer Gruppe von Straßenschlägern gegenüber, die ein paar Rocker umhauen wollten – als besonderen Beweis für ihren Mut und ihre Stärke.
Der Eröffnungsspruch war natürlich schon legendär: Die Typen glotzten in die kleine, übersichtliche Kneipe, sahen gewissermaßen durch uns durch und dann meinte einer: »Ey, hier soll irgendwo ein Rocker sein!« Schon cool, wenn man blind ist – oder lebensmüde.
Peter drehte sich sofort um und baute sich vor dem ersten Mann im langen Mantel auf: »Ja, was willst du Vogel denn?«
High Noon! John Wayne versuchte, sich ein wenig größer zu machen: »Vorsicht, du Paselacke, ich hab ’ne Machete mit!«
Peter rückte keinen Zentimeter zurück: »Prima, die steck ich dir gleich mal in deinen Arsch!« Und dann ging es auch schon los. John Wayne bekam es mit Klaus zu tun. Der focht mit einem Bolzenschneider gegen den Mann mit der Machete – bevor der Typ von mir dann einen Barhocker auf die Kirsche bekam und sich sofort flach hinlegte.
Als die anderen sahen, dass ihr Sheriff bereits im Land der Träume war, schienen sie es sich noch einmal überlegen zu wollen, aber dafür war es nun zu spät. Wer die Chuzpe hat, ein paar Rocker herauszufordern, muss sein Süppchen schon brav auslöffeln.
Ich werde heute oft von szenefremden Menschen gefragt, ob wir denn nie Angst gehabt hätten, jemanden im Streit gravierend zu verletzen, also so, dass bleibende Schäden entstehen können. Oder dass man selbst liegen bleibt – im dümmsten Fall für immer. Aber in Momenten wie diesen denkt man nicht an solche Dinge. Es geht nur noch darum zu gewinnen – ganz egal, wie. Da ist es völlig gleichgültig, ob der andere ein Messer oder eine Machete unter seinem Karnevalskostüm trägt. Du klatschst da einfach nur noch, und wenn es sein muss, greift man nach Flaschen, Stühlen oder einem schweren Aschenbecher.
Die Möchtegerncowboys haben an diesem Abend derart den Arsch versohlt bekommen, dass sie sich in der Folgezeit vermutlich nur noch mit ihresgleichen beschäftigt haben. Für uns war das ein runder Abend, das volle Programm: Man wischte sich den Mund ab und feierte einfach weiter. Kein Mensch verlor noch irgendein Wort darüber, es wurde keine Polizei gerufen, keine Anzeigen gemacht, keiner verlangte Schmerzensgeld oder sonst was – alles war wie immer.
Eine Sache jedoch ging gar nicht – und zwar, wenn einem Rocker sein Colour weggenommen wurde. Das war eine Frage der Ehre und es war auch zu jener Zeit völlig klar, ob man nun ein schwarzer oder gelber Ghostrider oder Mitglied vom MC Hinterdorf war: Wer einem anderen Member seine Kutte abnahm, musste mit einer Antwort rechnen.
Uns ereilte Ende der 80er-Jahre die Nachricht aus der Schweiz, dass die 81er dort einen unserer Brüder vom Chapter Weinfelden
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