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Zigeuner

Zigeuner

Titel: Zigeuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauerdick Rolf
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Genozid an den Sinti und Roma«. Und das »ohne Kommentar«.
    Jung erwähnt nicht, dass Godwin der galligen Slowakin bescheinigt, in ihrer Tirade mache sie »kein Hehl aus ihrem Hass«. Geschenkt. Nicht aber, dass der New Yorker Journalist in den Dunstkreis der nationalsozialistischen Völkermörder gestellt wird. Nun kann man einer jungen, in publizistischen Dingen vielleicht unerfahrenen Sozialwissenschaftlerin nachsehen, wenn sie in ihren übereifrigen Konklusionen über das Ziel hinausschießt. Nur hätten die verantwortlichen Herausgeber der Beiträge zur Antiziganismusforschung Frau Jung besser zu ein paar elementaren Recherchen raten sollen, statt ihren analytischen Salto mortale als Forschungsstudie zu veröffentlichen.
    George Godwin, der Vater des National-Geographic- Autors Peter Godwin war polnischer Jude und hieß eigentlich Kazimierz Jerzy Goldfarb. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er vor den Nazis nach England in Sicherheit gebracht, doch er sah seine Familie nie wieder. Seine Mutter und seine Schwester wurden nach Treblinka deportiert. Nach dem Krieg emigrierte er unter dem Namen George Godwin nach Rhodesien, wo sein Sohn Peter aufwuchs. Die Geschichte seiner Familie und den Niedergang Zimbabwes unter Mugabe, seine bitteren Erfahrungen als Polizist und Rechtsanwalt in einem Klima aus Unrecht, Rassenhass und Despotenwahn verarbeitete Peter Godwin später als Autor in bewegenden Büchern wie Mukiwa – a White Boy in Africa oder When a Crocodile Eats the Sun. Als renommierter Journalist etwa für die New York Times berichtete Godwin unter hohem persönlichem Einsatz über Massaker an oppositionellen Schwarzen, wurde in Zimbabwe zur unerwünschten Person erklärt und musste seine Heimat verlassen. Als die Redaktion von National Geographic Peter Godwin den Auftrag einer Reportage über das Volk der Roma anvertraute, bewies sie ein feines journalistisches und menschliches Gespür. Und dann kommen Tina Jung und ihre Protektoren von der Gesellschaft für Antiziganismusforschung daher und urteilen, National Geographic und Peter Godwin würden auf »antiziganistisches Gedankengut zurückgreifen, das im Dritten Reich zur Legitimierung des Genozids benutzt wurde«.
    Zurück zu den Trüffelschweinen. Schlüpft man selber einmal in die imaginäre Identität eines solchen und wühlt sich eine Weile durch den Dschungel der Literatur, so springt eine Gesetzmäßigkeit ins Auge. Mit Wohlwollen lässt sich anmerken, dass Autoren_innen von anti-antiziganistischen Studien für Verfasser_innen ebensolcher Studien ein hohes Maß an Sympathie hegen. Publikationen aus dem Kreis der Meinungsszene werden untereinander prinzipiell positiv besprochen. Mit summa cum laude. Mindestens. Ein weniger gewogener Blick muss leider ein inzestuöses Rezensionsgebahren diagnostizieren. Demnach leisten die Forscher_innen allesamt wertvolle Beiträge, liefern verdienstvolle Studien und verfassen aufschlussreiche, akribisch geführte Untersuchungen. Sie klären auf und enthüllen. Sie kritisieren, dechiffrieren und dekonstruieren. Sie entmystifizieren Klischees und räumen mit Vorurteilen auf, während die Mehrheitsgesellschaft antiziganen Stereotypen und rassistischen Ressentiments anhängt. Oft natürlich, ohne dass sie dies durchschaut.
    Anstatt offen zu debattieren, wo jemand recht hat und wo jemand irrt, werden Wissenschaftler, Redakteure und Journalisten von den Antiziganismusforschern immer wieder in einem Amoklauf der politischen Korrektheit in die Nähe des nationalsozialistischen Rassenwahns gerückt. Nun kann ein Diffamierter sich mit Argumenten wehren. Verstorbene Schriftsteller können das nicht. Sie als intellektuelle Brandstifter und rassistische Drahtzieher zu entlarven, erfreut sich daher einer steigenden Beliebtheit. Wobei die Vorteile einer rein literaturkritischen Annäherung an das Leben der Sinti und Roma auf der Hand liegen. Man braucht den Schreibtisch nicht zu verlassen. Außer zum Gang in die Bibliothek.
    Für Wilhelm Solms markieren die von Schriftstellern verbreiteten zigeunerfeindlichen Klischeebilder »das dunkelste Kapitel der deutschen Literaturgeschichte, unbehandelt und unerhört«. Dabei ist es für Solms gleich, ob die Dichter und Denker die Zigeuner »dämonisiert, kriminalisiert und bestialisiert oder romantisch verklärt« haben. Rassistisch sind sie allesamt. Egal ob Bergengruen, Fontane, Hauptmann, Hesse, Schnurre, der rumäniendeutsche Richard Wagner, Walser, ja selbst Goethe. Antiziganismen

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