Zigeunerprinz
Schwertkampfes zu lauschen, die aus der langen Galerie drangen. Irgendwie klang der Schlag der Klingen anders, falsch, zu langsam und unsicher. Michael und Estes, wußte sie, waren von Roderic auf eine Mission gesandt worden, während die Zwillinge ein neues Objekt ihrer Begierden gefunden hatten. Sie hatten sich mit ihrem zielsicheren und nur schwer widerstehlichen Charme an Maras Zofe Lila geheftet. Ein paar Mitglieder der Truppe machten Besorgungen. Sie schwang herum, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Direkt hinter den Doppeltüren des Galerieeingangs blieb sie stehen. Ihr bot sich ein Anblick, den sie sich niemals vorgestellt hätte. Im Raum waren nur Trude und Juliana. Das weibliche Mitglied der Truppe und die Prinzessin standen einander mit durch Knöpfe gesicherten Degen gegenüber.
Trude trug ihre Hosen und ein Hemd. Juliana hatte einen losen Kittel über einen offenbar alten Rock gezogen, den sie vorne hochgesteckt hatte, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Roderics Schwester schaute auf, als Mara eintrat.
»Kommen Sie herein, und machen Sie mit, um Gottes willen. Trude ist entschlossen, jemandem das Fechten beizubringen, und meine Armmuskeln sind schon taub!«
»Es ist gut, wenn man sich verteidigen kann«, erklärte das andere Mädchen, trat zurück und senkte den Degen. Der Kratzer in ihrem Gesicht war verheilt, und es war keine Nar-be zurückgeblieben. Sie trug immer noch Hosen und nahm Roderics Befehle ebenso wie die anderen entgegen, aber ihr geflochtenes Haar fiel jetzt weicher, und Wellen zeigten sich an den Schläfen.
»Ja ich weiß, vor allem, wenn man in diesen gefährlichen Zeiten Prinzessin ist.« Juliana stellte die Spitze ihres Degen auf den Boden und lehnte den Knauf an ihre Hüfte, während sie sich das verschwitzte Gesicht mit einem Rockzipfel abwischte.
»Jede Frau sollte in der Lage sein, sich zu schützen.«
»Ich bin müde«, klagte Juliana. »Ich glaube, es wäre einfacher, mich zu ergeben.«
»Aber auch feige. Außerdem kann es gefährlich sein, sich dem Mob zu ergeben.«
»Also gut, ich werde mich nicht ergeben, aber ich verlange Verstärkung. Mara, bitte!«
»Ich habe noch einen Degen.« Trudes strenge Miene hellte sich auf, was bei ihr einem enthusiastischen Ausbruch gleichkam. »Wir werden weibliche Musketiere.«
Und so begann der Unterricht. Er fand morgens statt, wenn die lange Galerie leer war, da weder Juliana noch Mara Lust hatten, die Ratschläge und Korrekturen oder übereifrigen Demonstrationen der Männer über sich ergehen zu lassen.
Der Unterricht beinhaltete nicht nur Instruktionen im Degenkampf, sondern auch den Kampf Frau gegen Frau, Messerkampf und -wurf sowie Schulung an der Pistole. Zum Training an letzterer Waffe fuhren sie an den Stadtrand, während sie allen, die danach fragten, erklärten, sie würden ein Seidenkaufhaus besichtigen.
Manchmal kam Angeline zum Zuschauen und um ihnen Mut zuzusprechen, aber sie zeigte nicht die geringste Neigung, die Waffen selbst einmal auszuprobieren. Mara und Juliana fragten sich manchmal selbst, ob das, was sie taten, weise war; ihre Muskeln waren so verkrampft, daß sie sich anfangs schwer taten, Ausreden für ihre unfreiwilligen Schmerzensbekundungen zu finden. Im Lauf der Zeit wurden sie kräftiger, und sie entwickelten einige Fertigkeit auf den verschiedenen Gebieten. Ihr Selbstvertrauen wuchs mit der Kraft und der Geschmeidigkeit ihrer Körper, und obwohl sie nicht den Fehler begingen zu glauben, sie könnten jeder Lage trotzen, hatten sie das befriedigende Gefühl, daß sie sich selbst verteidigen konnten.
Es war in einer Nacht, etwa eine Woche nachdem der Unterricht begonnen hatte, als Mara plötzlich aufwachte. Sie lag wach, lauschte und versuchte zu erkennen, was sie geweckt hatte. Schließlich hörte sie Stimmengemurmel aus dem Antichambre, durch das man zur Hintertreppe kam. Sie schlüpfte aus dem Bett, nahm ihren Degen auf, der auf der Chaiselongue gelegen hatte, und schlich zur offenen Garderobentür. Auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Kabinetts befand sich die Tür zum Antichambre. Sie durchquerte die Garderobe und legte ihre Hand auf den Türknauf.
Augenblicklich zuckte sie zurück. Direkt auf der anderen Seite der Tür war die Stimme König Rolfs zu hören. Ihr voller und mit Ironie beladener Klang drang durch die schwere Türfüllung. Fast bevor er ausgeredet hatte, setzte Roderics Stimme im gleichen Tonfall ein. Allerdings klang er zorniger.
Sie konnte nicht verstehen, was die
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