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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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darauf reagierte er nicht.
    Er versuchte jedoch, ihr zu gefallen, indem er Grandmere eine lediglich leicht ausgeschmückte Version der politischen Situation darlegte, gewürzt mit Tratsch, Witz und Schwänken. Auch füllte er ihr Weinglas nach. Als sie den letzten Bissen ihres Desserts verzehrt hatten, eines Cremepuddings mit Mandelsoße, und die Überbleibsel des Festmahls abgetragen waren, nahm er seine Gitarre auf. Er spielte die klaren, komplizierten Melodien, die in Grandmeres Jugend beliebt gewesen waren, und die alten, leicht anzüglichen Liebeslieder des Ancien regimes. Seine geschmeidigen Finger wanderten von Mozart zu einem Bolero, schweiften in eine normannische Serenade ab, die aus der Zeit der Kreuzzüge stammte, und endeten mit den feierlichen und langsam verhallenden Takten von Haydns »Abschied«.
    Er hob seine Hand von den Saiten. Die süßen Klänge verstummten. Mara schaute auf ihre Großmutter. Die alte Dame hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise. Zu-gleich erhoben sich Mara und Roderic, schlichen aus dem Zimmer und zogen die Tür zwischen dem Schlafzimmer und dem Salon hinter sich zu.
    »Sie sind ein Teufel«, erklärte Mara leise.
    »Weil ich eine Dame mit Wein und Musik betört und sie zum Träumen gebracht habe?«
    »Sie haben das absichtlich gemacht!«
    »Mit welcher Absicht, Mara? Um Sie auf diesem höllisch unbequemen Sofa lieben zu können? Um Sie in mein Serail zu entführen, vorausgesetzt, ich hätte ein Serail? Oder weil ich das alte Sprichwort kenne, daß der Weg in das Herz eines Mädchens durch das seiner Großmutter führt?«
    »Seien Sie nicht lächerlich.«
    »Das bin ich nicht, Chere. Wenn ich Sie betören wollte, dann würde ich das ohne Falsch versuchen. Auch ohne schweres Parfüm oder Serenaden oder Blumensträuße«, er streckte die Hand aus und berührte ihr Kinn mit einem Knöchel, »sondern mit etwas Seltenem und Zerbrechlichem und Unbeflecktem.«
    Es erforderte ebensoviel Mut, seinen Blick zu erwidern, wie es gebraucht hatte, sich dem Mob zu stellen. Sie erwartete, auf Herablassung oder gar Wut zu stoßen, aber sie fand nichts als Geduld.
    »Dann muß ich Ihnen dafür danken, daß Sie Grandmere heute abend unterhalten haben - und für all die netten Geschenke, wozu nicht zuletzt Ihre Musik gehört. Es war gütig von Ihnen, uns so viel von Ihrer Zeit zu schenken, und ich bin Ihnen wahrhaft dankbar dafür.«
    »Eine charmante Ansprache, Chere, das heißt, es wäre eine, wenn ich Ihre Dankbarkeit wollte.«
    Er hielt erwartungsvoll inne. Ihr Mißtrauen, die ungeheure Selbstbeherrschung, die sie ausstrahlte, verletzte ihn auf unerklärliche Weise, ebenso wie die dunklen Schatten unter ihren Augen und der blaue Fleck auf ihrem Hals. Er wünschte, er wüßte, was sie jetzt dachte.
    Die offenkundige Frage hallte in ihrem Kopf wider: Was wollen Sie dann ? Aber das brachte sie nicht über die Lippen.
    Vielleicht war die Antwort nicht das, was sie zu hören wünschte.
    Ein grimmiges Lächeln zuckte um seinen Mund. Er nahm ihre Hand, führte sie an seine Lippen, wünschte ihr leise eine gute Nacht und ließ sie allein.
    Mara blieb einen Augenblick wie angewurzelt stehen. Mit einer so schnellen Kehrtwende, daß ihr Rock sich um sie bauschte, ging sie in das Zimmer ihrer Großmutter zurück. Sie deckte das Feuer ab und stellte den Wandschirm auf, dann drehte sie die Lampe klein, die auf dem Nachttisch unter einer Milchglaskugel brannte. Sie steckte die Decken rund um die schlafende Frau fest, beugte sich vor, um sie auf die Stirn zu küssen, und verschwand dann in ihrem eigenen Schlafzimmer, das hinter dem ihrer Großmutter lag.
    Lila erhob sich neben dem Kamin und kam auf sie zu. Als Mara sich ein Lächeln für sie abrang, sagte das Mädchen: »Sie sind müde, Mademoiselle, und das ist kein Wunder. Lassen Sie mich helfen.«
    Sie war mehr als müde, sie war steif und wund, und ihr Körper wies riesige blaue Flecken an Stellen auf, auf die geschlagen worden zu sein sie sich gar nicht erinnern konnte. Zwar hatte sie zuvor ein heißes Bad genommen, das ihr gutgetan hatte, aber plötzlich sehnte sie sich nur noch nach ihrem Bett.
    Lila befreite sie aus ihren Kleidern, äußerte ruhig und mitleidig ihre Besorgnis angesichts der Flecken und zog ihr dann das Nachthemd über den Kopf. Mara setzte sich in einen Schaukelstuhl, und die Magd zog ihr Strümpfe und Schuhe aus. Während Lila ihre Sachen verstaute, erhob sich Mara gähnend und ging zu ihrem Bett.
    Etwas lag auf ihrem Kissen.

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