Zigeunerprinz
und in seine Arme. Sie kam gern, leicht, hätte fast gelacht, weil das lange Warten vorüber war, und fürchtete sich zugleich vor dem festen Griff und der Entschlossenheit des Prinzen. Sie schluckte hastig. Sein Adamsapfel hüpfte, als er es ihr gleichtat.
Er berührte ihre Lippen in einer federleichten, brennenden Liebkosung. Er hielt sie fest, aber nicht zu eng. Sie spürte seine Uniformknöpfe und den harten Schlag seines Herzens an ihrer Brust. Seine Schenkel drückten fest gegen ihre dicken Röcke. Der Wunsch, sich näher an ihn zu drängen, kämpfte in ihr gegen das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, ehe es zu spät war. Sie tat keines von beidem, sondern blieb still stehen.
Ihre Lippen teilten sich, ohne daß es ihr richtig bewußt war. Sie legte ihre Arme um seinen Hals, genoß den groben Stoff seiner Uniform und die Wärme seiner Haut unter ihren Händen. Er roch nach gestärktem Leinen und Seife und nach frischer Männlichkeit. Er schmeckte nach Wein und Kaffee und Apfel. Es war eine süße und zu Kopf steigende Mischung. Seine Lippen waren warm und zärtlich, bewegten sich sanft und forschend. Er liebkoste mit seiner Zungenspitze die samtene Oberfläche ihrer Lippen, kitzelte sie dabei und drang in die feuchten, sensiblen Winkel vor.
Langsam, aber sicher verstärkte sich sein Griff. Der Druck seines Mundes wurde größer. Sie reagierte darauf, drängte sich an ihn. Seine Zunge berührte ihre mit aufreizender Wärme, und sie erwiderte seine Berührung, gab ihm die winzigen Liebkosungen zurück, fühlte, wie ihre Sinne mit dem aufkommenden sinnlichen Vergnügen schärfer wurden. Nie zuvor hatte sie so empfunden. Die Entdeckung, daß sie an dieser Verführung Vergnügen finden konnte, war schockierend. Und doch erschien sie ihr wie ein Geschenk, wie eine Belohnung für ihr langes Warten.
Seine Lippen versengten ihre Wange, ihre Augen, ihre Stirn; er erforschte die empfindliche Vertiefung unter ihrem Ohr, und der warme Schlag seiner Zunge ließ ihre Nerven erzittern. Sie griff mit den Fingern in die kurzen, seidigen Locken, die über seinen Hals wuchsen, und ihr Atem wurde schnell und flach. Das Blut jagte durch ihre Adern, ihr wurde heiß. Ihre Hände schienen unendlich schwach zu werden, und in ihrem Unterleib bildete sich ein Strudel inmitten eines Gefühles von Schwere.
Er zog eine Spur heißer Küsse über ihren Kiefer, die sanfte Biegung ihres Halses hinab und durch die Vertiefung unter ihrer Kehle. Er senkte sich herab, als sie in seinen Armen lag, preßte sein Gesicht mit den sengenden Lippen auf die weiche, weiße Wölbung ihrer Brüste, die von ihrem Korsett nach oben geschoben wurden. Er inhalierte den zu Kopf steigenden Duft ihres Parfüms und ihr eigenes, süßes Aroma, und sein Atem kam tiefer und schwerer.
»Chere«, flüsterte er, umfaßte mit einer Hand ihre Brust und senkte seine Lippen in einem harten, verlangenden Kuß auf ihre.
Draußen waren Schritte zu hören. Die Tür flog auf, und eine Frau kam in den Raum gerauscht. Roderic ließ von Mara ab, hielt sie aber noch in seinem Arm fest, als er sich mit zornigem Gesicht dem Eindringling zuwandte. Die Frau blieb stehen.
Sie trug ein Reisekostüm aus luxuriösem meerblauen Samt, das wie angegossen an ihrem hohen, eleganten Körper saß. Ein schnittiger Hut mit wippender, cremefarbener Feder saß vorne auf ihrem hochgetürmten silberblonden Haar. Sie trug einen riesigen Bibermuff von der Größe eines Plumeaus, und an ihrer Seite trottete ein Pekinese, der, als er Roderic erblickte, augenblicklich Zuflucht unter den Röcken seiner Herrin nahm.
»Mein lieber Bruder«, rief die Dame mit Lachen in ihrer klaren Stimme aus, »wenn du dich schon im Salon vergnügen mußt, dann könntest du wenigstens die Tür abschließen !«
6. Kapitel
Roderics Griff lockerte sich. In seiner Stimme lag Resignation und Zuneigung, als er sagte: »Liebe Juliana, sag mir gleich, daß dir die Gendarmen auf den Fersen sind; das würde deinen Auftritt komplettieren.«
»Nur ein wütender Vater und ein aufgeblasener Preuße, sonst niemand. Aber was ist das für ein Empfang, nachdem ich so weit gereist bin?«
»Hast du Tambourine und Triangeln und Tanzbären erwartet? Ich fürchte, damit können wir nicht dienen. Gestatte mir, dir die Frau an meiner Seite vorzustellen. Sie wird Chere genannt, mangels eines anderen Namens. Meine Süße, dies ist meine Schwester Juliana.«
Die beiden Frauen nickten einander zu. Juliana zog eine Braue hoch.«Reizend, wirklich
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