Zigeunerprinz
reizend. Aber was wird Papa sagen, wenn er erfährt, daß du dich mit deiner Inamorata hier niedergelassen hast?«
»Sie ist nicht meine Inamorata, meine Geliebte, meine Mätresse; sie ist eine Dame und hört ausgezeichnet, falls du sie etwas fragen möchtest.«
Juliana trat eilig vor, ein um Verzeihung bittendes Lächeln auf dem Gesicht, und streckte Mara die Hand entgegen. »War ich unhöflich? Bitte vergeben Sie mir. Es war die Überraschung.«
Der Wortwechsel hatte Mara Gelegenheit gegeben, ihre Fassung wiederzufinden. »Keineswegs. Habe ich richtig verstanden, daß Sie Ihr Heim verlassen haben? Oder sucht Sie ein fremder Vater?«
Ein leichtes, fröhliches Lachen war die Antwort. »Ah, Sie gefallen mir! Nein, nein, kein zornerfüllter Papa, dessen Sohn ich hintergangen habe! Ich bin fortgelaufen, habe mich mitten in der Nacht aus meinem abgeschlossenen Zimmer geschlichen und alle Verfolger abgehängt, um zu meinem Bruder zu fliehen. Ist das nicht romantisch?«
»Und zwar mitsamt einem kläffenden Pekinesen, einem halben Dutzend Koffern und in deinem elegantesten Ensemble«, ergänzte Roderic.
»Nein, das ist nicht mein elegantestes«, widersprach Juliana und schaute kurz an sich herab. »Aber es ist akzeptabel.«
»Bist du sicher, daß unser geliebter Vater die Tür nicht doch offen gelassen hat?«
Juliana starrte ihn an. Wut zog in ihrem Blick auf. »Willst du damit sagen, du glaubst, er hätte mich ziehen lassen?«
»Du bist hier, oder nicht? Andernfalls wäre es unwahrscheinlich, daß du über die ruthenische Grenze gelangt wärest.«
»Das sähe ihm ähnlich! Aber warum? Warum?«
»Die Antwort, vermute ich, liegt vielleicht bei dem Preußen.«
»Arvin? Aber Papa ist vernarrt in den Mann! Er geht mit ihm auf die Jagd und auf die Falkenjagd, serviert ihm Bonbons und den besten Wein und läßt ununterbrochen Komplimente auf ihn herabregnen. Er hat ihn, kurz gesagt, wie einen Schwiegersohn behandelt, ganz als würde er dem Kronprinzen sein teuerstes Juwel anbieten wollen. Mich!«
»Ich nehme an, das war dir zuviel der Ehre.«
»Ganz genau.«
»Könnte es sein, daß der König, dieser gewiefte Boyar, sein, äh, Juwel nur ungern hergeben, aber dabei keinesfalls Preußen vor den Kopf stoßen wollte?«
»Und weshalb hat er mir dann eine Moralpredigt über meine Pflichten als Tochter und die Freuden eines Lebens als Mutter von kahlköpfigen Riesen gehalten?«
Abgelenkt fragte Roderic: »Kahlköpfig? Dein Preuße ist kahl?«
»Oder rasiert, ich habe das nicht nachgeprüft. Außerdem ist er riesig«, sagte Juliana geistesabwesend und dachte stirnrunzelnd über ihr Problem nach. »Zum Teufel mit allen Männern und ihren staatsmännischen Spielereien! Hätte mir Papa das nicht erklären können?«
»Und dich vor den Kopf stoßen, weil du vermutet hättest, daß seine Abneigung gegen eine Verbindung seiner Tochter mit dem preußischen Adel nichts mit väterlicher Zuneigung zu tun hat, sondern viel mehr mit der Neigung Preußens, kleinere Länder zu verschlingen? Er konnte keinesfalls das Risiko eingehen, daß du den Kahlen aus bloßem Trotz ermutigst.«
»So dumm bin ich nicht!«
»Nein, aber du kannst nicht leugnen, daß du bedauernswert flatterhaft bist.«
»Genau das«, erklärte seine Schwester Roderic schadenfroh, »sagt Papa von dir.«
»Wirklich?« fragte er leise.
Mara spürte, daß sich ein Geschwisterstreit von epischen Ausmaßen anbahnte, und schritt hastig ein. »Habe ich richtig verstanden, Juliana, daß Ihnen Ihr Preuße möglicherweise auf den Fersen ist?«
»Arvin ist nicht gerade klug, aber er ist zäh. Wenn er entdeckt, wohin ich geflohen bin, wird er folgen.«
»Und angesichts deiner üblichen Reisegewohnheiten -«, begann Roderic.
»Ich hatte nur zwei Reiter als Eskorte und zwei Lakaien, und natürlich meine Magd und einen Mann, der im Gepäckwagen mitfuhr!«
»Warum hast du keine Glocken an deine Kutsche gebunden oder einen Herold beauftragt, deine Ankunft zu verkünden?« fragte Roderic beiläufig.
Juliana holte Luft, um ihm darauf zu antworten, aber sie blieb stumm. Sie wurde von einer Bewegung in der offenen Tür abgelenkt. Luca trat mit grimmiger Miene ein. Der Pekinese begann zu bellen und verzog sich immer tiefer unter Julianas Röcke. Das Mädchen beugte sich herab, hob den Hund hoch und tadelte ihn: »Ruhig, Sophie, ruhig!«
Der Zigeuner wandte sich an Mara, Juliana betont ignorierend. »Das Gepäck der Dame wurde wie befohlen abgeladen und ins Haus gebracht. Aber
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