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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Blicke aus und rappelten sich langsam auf.
    Die Degen wurden gebracht. Sie hatten lange, schmale Klingen, die mit fernöstlichen Mustern ziseliert waren und in silbernen und messingfarbenen Knäufen steckten. Biegsam und tödlich waren sie und ohne die Knöpfe auf den Spitzen, die normalerweise bei Übungskämpfen verwendet wurden. Die Truppe setzte auch keine auf. Mäntel und Stiefel wurden ausgezogen und die Ärmel über die Ellenbogen aufgekrempelt. Dann stellten sie sich, ohne jeden Schutz für Gesicht und Körper, einander gegenüber auf.
    »Nur bis zum ersten Blutstropfen. Schlagt sicher, aber leicht.«
    Die Apathie im Raum war wie weggefegt. Statt dessen lag Aufregung in der Luft, gepaart mit neugieriger Vorfreude und absoluter Entschlossenheit. Sie wußten einer wie der andere, daß in der Hitze des Gefechts alles geschehen konnte, von kleinen bis hin zu schweren Verletzungen, entstellenden Wunden, Verkrüppelungen und dem Tod. Mara saß wie angenagelt. Sie wollte nicht als feige erscheinen, indem sie jetzt verschwand, aber sie war nicht sicher, ob sie zuschauen konnte.
    Am erstaunlichsten war die Paarung. Roderics Cousin Michael stand Jared gegenüber, und der andere Zwillinge, Jacques, hatte sich vor Estes aufgebaut, so daß Trude den Prinzen als Gegner hatte. Sie hatte die Wahl nicht getroffen, sie war auch kein Zufall, sondern auf Roderics direkte Anweisung hin geschehen.
    Was dachte er sich dabei? Würde er ihr als Edelmann gestatten, ihm eine kleine Wunde zuzufügen? Das schien unwahrscheinlich, da Maras Beobachtungen nach die Frau immer wie alle anderen aus der Truppe behandelt worden war. Und selbst wenn er das täte, könnte Trude sich dazu überwinden, in Anbetracht dessen, was sie, wie Mara vermutete, für ihren Führer empfand? War Trude vielleicht eine so erfahrene Kämpferin, daß sie eine echte Herausforderung war, der sich Roderic stellen wollte? Das schien möglich, da sie ungewöhnlich kräftig war und starke Handgelenke besaß. Es war jedoch genausogut möglich, daß Roderic ihnen allen überlegen war, wie ihre Kommentare andeuteten, und deshalb das Gefühl hatte, daß Trude bei ihm am sichersten war. Aber wie sollte er sich schützen, ohne sie zu verwunden? Wie konnte er zulassen, daß er geschlagen wurde, und sich dennoch die Achtung seiner Leute bewahren? Oder wie sollte er Trude besiegen, ohne sie zu verletzen?
    »Bereit?«
    »Bereit«, kam die Antwort im Chor.
    »Salutiert!« Als die Degen im Einklang gehoben und wieder gesenkt worden waren, fuhr der Prinz fort: »Unsere Chere wird das Signal geben.«
    Vor Überraschung war Mara sprachlos. Sie hatte nicht geglaubt, daß er ihre Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Als ihr bewußt wurde, daß sie alle still standen und warteten, nahm sie das schwere weiße Leinentaschentuch, das sie gerade geflickt hatte, und streckte es mit den Fingern von sich. »En garde«, sagte sie und ließ das Taschentuch fallen. Die Degen prallten in einem dissonanten Klang aufeinander, scharrten und kratzten, sprangen auseinander. Die Bewegungen waren so präzise wie bei einem Ballett und wirkten vollkommen mühelos. Und doch standen bereits nach wenigen
    Sekunden Schweißtropfen auf ihren Gesichtern, und der schwere Atem übertönte das leise Schlurfen der vortretenden und zurückweichenden Schritte. Trotzdem waren alle, die an diesem tödlichen Spiel teilnahmen, gedrillt. Alle bewegten sich mit höchster Präzision, beugten und streckten ihre Muskeln in tausend schwierigen Bewegungen und komplizierten Manövern. Noch nie hatte Mara so deutlich gesehen, daß sie eine Einheit waren, darauf trainiert und dazu bestimmt, gemeinsam zu kämpfen, wie in diesem Augenblick, in dem sie gegeneinander antraten.
    Sie konzentrierten sich voll und ganz auf die blinkende Degenspitze und auf die Bewegungen ihres Gegenübers. Nach einigen Minuten ließ die Anspannung nach, wurde von Vertrauen in die eigenen gut geübten Fähigkeiten und von wachsendem Vergnügen abgelöst. Grinsend wurde ein gut gezielter Stoß pariert und zum Gegenschlag ausgeholt. Derbe Kommentare wurden abgegeben. Die Duelle wurden gewagter, spektakulärer. Die Klingen schlugen in eigenartig gleichmäßigem Rhythmus gegeneinander, klangen bisweilen fast musikalisch und klirrten dann plötzlich in einer Finte oder einer unvollendeten Riposte.
    Fahlgraues Licht fiel durch das leicht getönte Glas der Fenster. Es verlieh den Gesichtern der Kämpfer eine gespenstische Blässe und warf changierende gelbe,

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