Zigeunerprinz
sobald er entdeckte, daß sie ihn hintergangen hatte. Anfangs hatte sie gedacht, es würde nichts ausmachen. Sie hatte sich getäuscht. Sie ließ ihre Aufmerksamkeit nur zu gern durch einen Mann in einem eigenartigen dunkelbraunen, goldgesäumten und -geschnürten Samtumhang ablenken, in dessen Rücken eine quastengeschmückte
Kapuze herabhing. Er war eine eindrucksvoll Erscheinung, groß, dunkel und düster.
»Wer ist der Mann in dem eigenartigen Mantel?«
»Dem Burnus? Das ist Delacroix, der Maler. Eine prächtige Gestalt, nicht wahr? Er hat den Burnus von seinen Reisen aus Algerien mitgebracht. Heutzutage fahren so viele in diesen Teil der Welt, daß das langsam zu einer Mode wird.«
Hinter Delacroix - mit dem sie nicht verwandt war, soweit sie wußte - befand sich die Eingangstür. Ein Mann traf soeben ein und reichte einem Dienstmädchen Hut und Stock. Auch er war groß und dunkel, aber er hatte einen dünnen Schnauzer und einen schmalen Kinnbart und ließ seinen Blick ungeduldig durch den Raum schweifen. De Landes' Blick erfaßte Mara, dann befahl er sie mit einer knappen Kopfbewegung zu sich.
Maras Nerven spannten sich wie Violinensaiten. Daß de Landes hier war, deutete darauf hin, daß jede ihrer Bewegungen überwacht wurde. Wußte er, daß sie nicht getan hatte, was er von ihr verlangte? Was würde er dazu sagen?
Sie verließ die Gruppe, mit der sie zusammenstand, höchst ungern; trotzdem führte kein Weg daran vorbei. »Verzeihen Sie mir«, erklärte sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, »ich glaube, Prinzessin Juliana bittet mich zu sich.« Sie ging durch den Raum, unterhielt sich kurz mit der Prinzessin, kommentierte fröhlich die Versammlung und fädelte sich dann weiter durch die Gäste bis zu de Landes. Er hatte einen Beobachtungsposten ausgewählt, der von einer Trauerweide in einem Keramiktopf und einer Ritterrüstung mit Visier abgeschirmt wurde. Mit Mühe behielt sie ihr unverbindliches Lächeln bei, als sie neben ihm stehenblieb, aber sie kam ohne Umschweife zur Sache. »Was wollen Sie?«
»Wie charmant Sie aussehen. Der Verkäufer hatte recht; dunkle Farben stehen Ihnen.«
»Sie sind nicht hergekommen, um mir Komplimente zu machen.«
»Nein, aber ich beginne mich zu fragen, ob es nicht töricht von mir war, Sie nicht persönlich in der Kunst zu unterwei-sen, wie man die - wie soll ich es sagen? - Kooperation eines Mannes gewinnen kann.«
»Der Prinz ist äußerst scharfsinnig. Er darf uns nicht zusammen stehen sehen, weil er weiß, daß ich mich angeblich nicht an irgendwelche Freunde erinnere. Ich wiederhole, was wollen Sie?«
Sein Blick war lang und kalt, dann nickte er unvermittelt. »Die Vicomtesse Beausire wird durch die Anwesenheit Seiner Majestät des Königs auf ihrem Ball geehrt werden. Louis Philippe wird exakt um zehn Uhr eintreffen. Sie werden nicht nur dafür sorgen, daß der Prinz dort ist, sondern sich auch darum kümmern, daß er sich in der Nähe des Eingangs aufhält, durch den der König und seine Gäste eintreten werden. Haben Sie verstanden?«
»In der Nähe des Eingangs? Wo? Ich weiß nichts über das Haus oder die Zimmer.«
»Das macht nichts. Er muß um zehn Uhr in der Nähe des Haupteinganges sein.«
»Zehn. Haupteingang. Wie geht es meiner Großmutter?«
»Noch ganz gut.«
De Landes neigte den Kopf und verschwand. Es dauerte einen Augenblick, ehe Mara begriff, daß Roderics Erscheinen ihn in die Flucht getrieben hatte. Der Prinz kam direkt auf sie zu. Er lächelte, aber sie ließ sich nicht täuschen.
»Habe ich, haben wir alle Sie so vernachlässigt, daß Sie ins Gebüsch krabbeln müssen, um sich mit Fremden zu unterhalten?«
Sie hob das Kinn. »Krabbeln?«
»Hätte ich sagen sollen, > verstecken «
»Ich konnte nicht ahnen, daß es verdächtig ist, wenn man sich während eines literarischen Salons wie diesem mit einem Gast unterhält. Das hätten Sie mir sagen müssen.«
»Das hätte ich getan, hätte ich es für nötig gehalten.«
»Was haben Sie von mir erwartet? Sollte ich an Ihrer Seite bleiben? Ich hatte den Eindruck gewonnen, daß Sie mich davor warnen wollten, Ihnen zu nahe zu kommen.«
Seine Augen wurden schmal. »Und das hat Sie so getroffen?«
Natürlich war es ein Fehler gewesen, sich auf ein Wortgefecht mit ihm einzulassen. Es hatte sie tatsächlich getroffen, daß er seine Begierde so leicht zügeln konnte, daß es ihm gelungen war, auf eleganteste Weise ihre Avancen zurückzuweisen. Aber war es nicht besser, das
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