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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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gedrängt, zum Abendessen wiederzukommen. Die Tür hatte sich kaum hinter ihnen geschlossen, da öffnete sie sich bereits wieder, um ein Mitglied der Academie einzulassen, außerdem einen Politiker mit ausgeprägten republikanischen Regungen sowie eine klatschsüchtige alte Comtesse, die bis ins Herz Legitimistin war und das feurig verfocht. Das Trio blieb zum Essen und hätte sich über dem daube glace fast zu prügeln begonnen. Während des Nachmittags schauten diverse Damen und Herren vom Hofe Louis Philippes vorbei und beklagten sich über ihre Langeweile. Das Leben war zur Zeit langweiliger als sonst, da Madame Adelaide, die Schwester des Königs, erkrankt war. Das ruthenische Haus war der einzige Ort, an dem man garantiert unterhalten wurde und spritzige Konversationen führen konnte, ohne das Aroma der von den Doktoren verschriebenen Mittelchen in der Nase zu haben. Gemeinsam mit der Comtesse, dem Politiker und dem Akademiker, die sich währenddessen in ihre Schützengräben zurückgezogen hatten, ließen sie sich zu einem Kartenspiel nieder.
    Während des Nachmittags gesellte sich Theophile Gautier von La Presse zu ihnen, der Journalist, der zugleich Poet war. Er las ihnen einen Abschnitt seines neuesten Gedichts vor, ein Fragment, das seine Reise in ein Land betraf, dessen Name Mara entging. Aber es klang gut und wurde eifrig beklatscht. Er beklagte sich darüber, daß jedermann inzwischen reiste und darüber schrieb oder das vorhatte. Bald würde es nur noch Bücher über andere Länder geben, keines mehr über Frankreich. Jener ältere Mann, der in den Raum geschlendert kam, nahm sich davon aus. Er sei jahrelang quer durch Frankreich gereist, habe uralte Bauten besucht und darüber geschrieben.
    »Aber nur gelehrte Artikel«, protestierte Gautier. »Ihre berühmteste Geschichte handelt von einer spanischen Blume der Nacht namens Carmen!«
    Roderic, der mit einem Glas Branntwein am Ellbogen vor dem Feuer lagerte, zog eine Braue hoch. »Diese gelehrten Artikel haben dazu geführt, daß viele architektonische Kunstwerke in Frankreich erhalten wurden. Merimee zum Denkmalinspektor zu ernennen, war eine der wichtigsten Entscheidungen der Juli-Monarchie.«
    Prosper Merimee verneigte sich dankend angesichts dieses Kompliments, doch einer der Höflinge protestierte. »Das klingt, als würden Sie nichts mehr von Louis Philippe erwarten. Der Mann ist noch nicht tot.«
    »Sehr richtig«, sagte Roderic, nahm sein Branntweinglas auf und starrte in die kreisende Flüssigkeit.«Es tut mir leid.«
    Mara schaute abrupt auf. Sie spielte gerade eine Runde altmodisches brisque mit. De Landes' Instruktionen gingen ihr durch den Kopf: Sie sollte erreichen, daß sich Roderic in der Nähe des Königs aufhielt. Wo Roderic war, wäre auch die Truppe. Konnte das etwas mit der Tatsache zu tun haben, daß seine Männer auch als Todeskorps bekannt waren? War vielleicht ein Anschlag auf den König geplant? Aber wenn dem so war und wenn Roderic daran beteiligt sein sollte, warum sollte sie dann dafür sorgen, daß er am richtigen Ort war? Und warum sollte ein Mann aus dem Ministerium Louis Philippes, der von der Gunst des Königs abhängig war, darin eine Rolle spielen? Es ergab keinen Sinn. Und dennoch gab es einen Grund. Es mußte einen geben, sonst wäre sie nicht hier im ruthenischen Haus.
    Roderic war ein ausgezeichneter Gastgeber, der sich um das Wohlergehen seiner Gäste kümmerte und sie in Gespräche verwickelte, die funkelten und gleißten wie ein Feuerwerk. Er hatte eine Begabung dafür, den Menschen das Gefühl zu geben, gern gesehen zu sein, aber seine Anwesenheit hatte nichts Beruhigendes. Statt dessen herrschte eine so intensive Atmosphäre lebhafter Spannung und scharfsinniger Unterhaltung, daß anscheinend niemand gehen wollte, weil jeder fürchtete, er könnte etwas Aufregendes verpassen.
    Und doch wurde diese Intensität, das erkannte Mara im Laufe des Tages, von seiner düsteren Stimmung angeheizt. Wenn sie die Anzeichen nicht selbst bemerkt hätte, dann hätte sie das katzenpfotige Auftreten der Truppe alarmiert. Der ruhige Peitschenhieb seiner Stimme im Streit, die brillante Logik, mit der er seine Gegner niedermachte, der sanfte Tonfall und die ernste Miene, mit der er jene aufforderte, die einen törichten Einwand vorbrachten, sich noch zu steigern, waren nicht zu ignorieren. Ebenso beunruhigend war seine gewagte Galanterie den Damen gegenüber, die er mit einer solchen Kühnheit anlächelte, daß eine sich an

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