Zigeunerprinz
seinen Arm hängte und mit strahlenden Augen die Brust gegen ihn preßte, während eine andere jedesmal nervös kicherte, sobald er in ihre Richtung blickte.
Juliana kehrte schließlich von ihrer Ausfahrt mit dem Preußen zurück, beobachtete ihren Bruder kurz und warf dann Mara einen schnellen Seitenblick zu. »Wenn er nicht aufpaßt, dann hat er bald einen Degen im Rücken stecken.
Oder er liegt unter dem Tisch, weil er Wein und Branntwein durcheinandergetrunken hat. Er trinkt nie bis zum Exzeß, es sei denn, er ist verletzt oder außer sich vor Wut. Ich frage mich, was ihn wohl so in Rage versetzt hat? Man könnte fast schwören, er sei unglücklich verliebt.«
»Das wohl kaum«, sagte Mara knapp.
»Nein? Wie interessant.«
Wieviel wußte Juliana von dem, was in der vergangenen Nacht vorgefallen war? Ihr Gesicht mit den ausgeprägten Zügen verriet nichts. Mara glaubte nicht, daß Sarus oder Michael weitererzählt hatten, was sie gesehen hatten, aber niemand konnte wissen, ob nicht vielleicht Diener in der Nähe gewesen waren oder aus ihren Zimmern gelugt hatten. Außerdem war unmöglich festzustellen, was sich ein heimlicher Beobachter wohl bei dem Anblick des Prinzen, der sie in ihr Zimmer zurücktrug, gedacht haben mochte. Es hätte alles mögliche bedeuten können.
Aber war Roderic da schon zornig gewesen? Vielleicht ein wenig, das mußte sie zugeben, aber keinesfalls so wütend wie jetzt. Langsam sagte sie: »Es muß etwas anderes sein.«
»Was zum Beispiel?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Sie hatte den ganzen Tag über nicht mit Roderic gesprochen und er nicht mit ihr. Ihm gegenüberzutreten war nicht so schlimm gewesen, wie sie befürchtet hatte, dank des Wirrwarrs mit den Hunden. Ihre Bestürzung, umgeben von Männern und mit dem Gesicht des jüngeren Dumas in ihrem Schoß angetroffen zu werden, sowie ihre Wut über Roderics gewollte Mißdeutung der Situation hatten ihr über die ersten Augenblicke hinweggeholfen. Seine vollkommene Gleichgültigkeit ihr gegenüber, als hätten die Ereignisse der vergangenen Nacht nie stattgefunden, half ebenso.
Und doch war es fast unerträglich gewesen, den ganzen langen Tag mit ihm in einem Zimmer zu sein. Sie glaubte, daß er das bemerkt hatte und sich überhaupt nicht um ihre Empfindsamkeiten scherte. Fast schien es, als würde er zur Strafe absichtlich bleiben und sie beobachten, statt sich wie üblich zu seinen Geschäften zurückzuziehen. Natürlich war sie überempfindlich. Ihr Unbehagen war sehr real, aber seine Reaktion darauf war bestimmt nur ein Produkt ihrer Einbildung.
Die Nacht brach herein, und endlich wurde es Zeit zum Abendessen. Achtundzwanzig Personen setzten sich an die Tafel, die Dumas', Vater und Sohn, eingeschlossen. Das Essen war reichhaltig und hervorragend zubereitet, Wein gab es im Überfluß. Mara schob ein Stück Kalbfleisch auf ihrem Teller herum und nahm sich vor, die Köchin für ihr Geschick zu loben, der es gelungen war, eine im Laufe des Abends ständig gewachsene Anzahl von Gästen so gut zu versorgen. Die Stimmen schallten laut und gutgelaunt über die Tafel. Beides kratzte an ihr wie Fingernägel über eine Glasscheibe. Sie spürte, wie sich Kopfschmerzen hinter ihrer Stirn entwickelten, ein Zeichen dafür, daß der Tag sehr anstrengend gewesen war. Mehr als alles andere wünschte sie sich, in ihrem ruhigen Zimmer zu sein. Sobald wie möglich würde sie sich zurückziehen.
Sie verließen gerade das Speisezimmer, als Sarus kam und Roderic auf die Schulter tippte. Der Prinz neigte den Kopf, um sich die geflüsterte Botschaft anzuhören, dann ließ er sie mit einer eleganten Entschuldigung und dem Versprechen allein, später im Salon wieder zu ihnen zu stoßen.
Augenblicklich wurde die Stimmung gedämpfter, obwohl sie immer noch lebhaft war. Fast jeder kannte jeden anderen. Die Menschen standen in kleinen Gruppen beisammen, aber die meisten hatten sich um Juliana versammelt, die es sich auf dem Kanapee in der Mitte des Raumes bequem gemacht hatte. Der Preuße, der zum Essen zurückgekehrt war, hing ständig über ihr, während Dumas der Ältere extravagante Lobeshymnen auf sie ausbrachte und sein Bestes tat, sie davon zu überzeugen, daß sie ihr Prinzessinnendasein aufgeben und Schauspielerin werden sollte.
Einer der wenigen, die einzeln und allein im Raum standen, war Luca. Er lehnte in einer Fensternische, die Schulter gegen den Rahmen gestützt, und folgte mit dunklem Blick jeder Geste und jedem Mienenspiel in Julianas
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