Zigeunerprinz
Krone auf der Tasche bereitgelegt. Ein hoher Stehleuchter mit sechs Kerzen erhellte den kleinen Raum.
Mara drehte sich in einem Tropfenregen, der aus dem Saum ihres Umhangs rann, wartete darauf, daß der Prinz sie allein ließ. Aber er schloß die Tür hinter sich und näherte sich ihr. Direkt vor ihr blieb er stehen und betrachtete sie nachdenklich. Mit fassungsloser Miene und roten Schatten der Ermüdung und Erschöpfung unter den Augen starrte sie in sein Gesicht. Ganz ruhig streckte er die Hand aus, öffnete ihren Umhang und ließ das naßschwere Stück zu Boden fallen, dann begann er das Gewirr ihrer Haare nach den letzten verbliebenen Haarnadeln zu durchforschen.
»Was machen Sie da?«
»Ich bin Ihnen behilflich.«
»Lila wird mir helfen, wenn Sie nach ihr schicken.«
»Es geht schneller, wenn ich es mache.«
Seine Stimme war betörend, und die Wärme des Feuers nahm ihr die Willenskraft. Mit gezwungen beißendem Tonfall sagte sie: »Nicht unbedingt.«
»Sie zweifeln an meiner Erfahrung?«
»An Ihren Motiven.«
»Oh, das sind die lautersten.« Er zog seine gespreizten Finger durch die schwarze Seide ihres Haares, verteilte es über ihren Schultern und legte dann seine Hand auf ihren Oberarm, um ihren Rücken zu sich zu drehen. Sie spürte seine Finger an den Haken ihres Kleides. Sie sollte ihm Einhalt gebieten. Darauf bestand eine innere Stimme. Sie hätte es getan, wenn sie die Kraft dazu aufgebracht hätte. Sie verstand ihn nicht und konnte ihm nicht trauen. Er war ein komplizierter Mann, dem man nur schwer nahekommen und den man kaum verstehen konnte. Sie hatte nur so wenig über ihn erfahren, und selbst das wenige machte ihr angst. Jetzt zitterte sie nicht nur vor Kälte
Mit zielstrebigen, sicheren Bewegungen öffnete er die Haken. Seine warmen, sanften Finger strichen über ihr Rückgrat; trotzdem war ihre Haut so gereizt, daß jede Berührung ein nachträgliches Stechen auslöste. Sie stand reglos, den Kopf graziös gesenkt, ohne daß sie es gemerkt hatte, bis sie ein Zupfen spürte, mit dem er ihr Korsett aufzuschnüren begann.
Sie zuckte und versuchte ihm auszuweichen, aber er schlang einen festen Arm um ihre Taille, löste blitzschnell die Korsettschnüre und die Bänder ihrer Unterröcke. Erst dann ließ er sie los. Sie wirbelte von ihm weg.
Die Anklage in ihren Augen lesend, sagte er: »Unbeständigkeit, dein Name ist Frau. Oder habe ich die süße Verführung vor zwei Nächten nur geträumt?«
»Damals erschien ich Ihnen nicht begehrenswert. Warum jetzt?«
»Sie irren sich. Das Begehren war da.«
Vor zwei Nächten hatte ihn etwas zurückgehalten. Jetzt nicht mehr. Was hatte sich in der Zwischenzeit geändert?
Eine Gänsehaut des Entsetzens kroch über Maras Leib, als ihr ein fürchterlicher Verdacht kam. Wußte er etwa Bescheid?
Ein entferntes Klopfen erklang an der Schlafzimmertür hinter dem Ankleidezimmer. Roderic warf einen Blick hinüber. Mit freundlicher, aber bestimmter Stimme sagte er: »Das wird Sarus sein. Ich gehe ein paar Minuten aus dem Zimmer, um etwas mit ihm zu besprechen. Wenn ich zurückkomme, sitzen Sie im Bad, sonst ziehe ich Sie splitternackt aus und stecke Sie selbst hinein.«
Er meinte es ernst. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Einen Augenblick schwankte sie zwischen Stolz und Angst einerseits und ihrem Bedürfnis nach Wärme und dem harten Gebot, sich in das Vertrauen dieses Mannes einzuschleichen, andererseits. Eigentlich hatte sie keine Wahl. Hastig schlüpfte sie aus ihren durchtränkten Kleidern und trat aus dem nassen Haufen in das dampfende Wasser der Sitzbadewanne. Vor Hitze erschauernd, ließ sie sich langsam hineinsinken, bis das Wasser ihre Schultern bedeckte. Ihr nasses Haar breitete sich über das Wasser wie ein Fächer und bildete einen schwarzen Seidenschleier über der weißen Wölbung ihrer Brüste. Sie schlang die Arme um ihren Körper, schloß die Augen und neigte den Kopf. Sie hatte gar nicht gewußt, wie durchgefroren sie gewesen war, ehe sie das warme Wasser gespürt hatte, aber immer noch war die innere Kälte stärker.
»Hier, trinken Sie das.«
Sie schaute auf. Roderic stand über ihr. Unter einem Arm trug er zusammengefaltete Badetücher, im anderen Arm hielt er ein kleines Silbertablett. Auf dem Tablett standen zwei tiefe silberne Becher mit einer Flüssigkeit, aus der in kleinen Spiralen Dampf aufstieg.
»Was ist das?« Es roch nach Alkohol.
»Das wissen nur Sarus und die Götter. Trinken Sie es.«
Schon der Gedanke
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