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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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fröhlicher Festlichkeit, ehe wir uns mit ernsteren Sachen befassten. Ich wollte da nichts überstürzen. Ich war viel zu lange in Schnee und Eis allein gewesen, und es war einfach ein wunderbares Gefühl, nun alle meine alten Freunde wieder um mich zu haben: Valerian und Polarca und Thivt, Biznaga und Jacinto und Ammagante, Damiano und Syluise. Und diesmal nicht als Gespenster (mit der Ausnahme Valerians), sondern blutwarm und körperlich greifbar.
    Also feierten wir einen grandiosen patshiv, ganz im uralten traditionellen Stil, mit überreichlichen Mengen von Speisen und Getränken, mit Singen und Tanzen und viel Händeklatschen. Selbst die Roboter machten mit und stampften auf ihren Fußballen den Rhythmus mit, bis sie ihn begriffen hatten, und sprangen schließlich mitten auf die Tanzfläche und stolzierten und tänzelten mit uns herum. Und selbstverständlich machte uns das einen Riesenspaß. Bei einem patshiv müssen alle fröhlich und lustig sein, jeder muss sich wie ein Ehrengast fühlen, sogar die Roboter. Himmel, war das ein Fest! Die Riesenstücke Rinderbraten, Spanferkel, Fässer schäumenden Biers und schweren Rotweins. Jede Nacht saßen wir um ein prasselndes Feuer von kostbaren Aromahölzern, erzählten die alten Geschichten von Fahrten und Reisen voller bedeutsamer Abenteuer, erzählten von den Straßen, die wir dahingezogen waren, und von den Freuden und Fehlschlägen, die uns widerfahren waren. Für diese zeitlosen Augenblicke waren wir wieder die Roma der alten Zeiten, die unsteten Wanderer, die Wohnwagenzigeuner, die Kesselflicker und Wahrsager, die ernsthaftesten und zugleich die verspieltesten Menschen der Welt, und wir hatten unsern Spaß, so wie seit uralten Zeiten. Und danach, tief in der Nacht, im fahlen Phosphorschimmer der Nachtvögel, die dann auf Xamur umherflattern, war da Syluises Leib weich und glatt unter meiner Berührung. Für den Augenblick gelang es mir, jeden Gedanken an das beiseite zu schieben, was zu tun mir noch bevorstand; für diese Stunden gab es nur Syluise und die glühenden Vögel in der Dunkelheit und die Stille der Nacht.
    Aber als ich dann bereit war, mich wirklich dem ernsten Geschäft zuzuwenden, führte ich meine Gäste vom Haus fort und brachte sie auf den langen Trip bis zur äußersten Begrenzung meines Besitzes, wo der Krater des Idradin in wilder leidenschaftlicher Energie pulsiert und röhrt und kocht.
    Der Idradin ist der einzige Makel auf dem schönen Antlitz von Xamur. Eine gespenstische Pustel, eine grimmig feurige Eiterblase. Es gibt Leute, die darüber jammern, dass es auf dem schönen Xamur etwas dermaßen Hässliches geben dürfe wie den Idradin, aber ich denke darüber anders. Ohne diesen Vulkankrater wäre Xamur eine Welt unerträglicher Schönheit und scheinbarer Perfektion, etwas Unwirkliches, fast Skandalöses, irgendwie ein Betrug. Es gibt in gewisser Weise Ähnlichkeiten zwischen Xamur und Syluise: unter der Maske einer Schönheit, die für unser beflecktes Universum zu vollkommen ist, sehnt man sich geradezu nach einem einzigen Anzeichen von Nichtvollkommenheit, damit man glauben kann, dass das, was man sieht, wahr ist. Das gilt für Xamur und für Syluise. Ich bin es sehr zufrieden, dass der Idradin da ist, und ich bin auch damit einverstanden, dass er auf meinen Grund und Boden steht. Er ist mir immer wieder eine ganz nützliche Mahnung, dass Träume von Vollkommenheit die Wahnideen und Wunschvorstellungen der Narren sind, dass es in den zartesten Blüten immer irgendeinen scheußlichen Wurm gibt.
    Der Krater ist eine große runde Öffnung und führt bis direkt in die kochenden Magmatiefen im Innersten von Xamur hinab. Um den ausgezackten Rand liegen breite konzentrische Ringe alter verwitterter schwarzer Lava, ein paar Dutzend davon, die Überreste der vor langer, langer Zeit mit gewaltiger Wucht herausgeschleuderten Eruptionen. Sie bilden eine Art natürlichen Amphitheaters mit kahlen, uneinladenden leblosen Sitzrängen. Man kann bis zum untersten Sitz hinabsteigen – wenn man den Mut dazu hat –, und dort sieht man dann unruhige rote Flammenspeere durch graue Rauchwolken züngeln und hört in den Tiefen das Rülpsen und Grollen ungeheuerlicher Kräfte. Schwefelige Miasmen dringen beständig herauf und verfärben die Luft und die gesamte umliegende Landschaft mit ihrem grellen kotzigen Gelbgrün.
    Ein scheußlich abstoßender Ort? Ja.
    Aber ich hatte so viele Jahre in so direkter Nachbarschaft gelebt, dass ich dagegen überhaupt keine

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