Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
überhaupt möglich ist, einen Gajo zu lieben – den Fünfzehnten Kaiser geliebt hatte. Und ich will dies hier deutlich festhalten, damit ein jeder es wisse.
    Noch eines. Im zwanzigsten Jahr meiner Herrschaft stieß ich bei der Durchsicht einiger Dokumente aus der Zeit meines Vorgängers, Cesaro o Nano, auf etwas Erstaunliches, nämlich, dass es der Fünfzehnte höchstpersönlich gewesen war, der Cesaro den Gedanken oktroyiert hatte, er solle mich als seinen Nachfolger auf dem Königsstuhl benennen. Wie absonderlich und seltsam, dass der Kaiser der Gaje einen derartigen Vorschlag gemacht haben sollte, und wie viel seltsamer noch, dass der Zigeunerkönig darauf eingegangen war. Der Fünfzehnte hatte mir oftmals gesagt, dass er große Stücke von mir gehalten habe, lang bevor ich König wurde; und hier hatte ich den Beweis dafür.
    Ich habe diese Tatsache unterdrückt und seit meiner Entdeckung nie darüber gesprochen. Doch, wozu sollte ich es noch länger geheim halten? Ist etwas schändlich daran? Der Fünfzehnte hatte recht, wenn er voraussah, dass ich ein guter König sein würde. Cesaro o Nano hatte klug und recht gehandelt, dem Rat zu folgen. Was macht es schon für einen Unterschied, dass es ein Gajo war, der diesen Rat gab? Wenn auch der allerhöchste Mensch unter den Gaje? Und tat es Cesaro o Nano Abbruch, auf ihn zu hören? War ich etwa geringer, nur weil mich ein Kaiser empfohlen hatte? Im Verlauf der Tausende von Jahren, seit es dem Schicksal gefallen hat, unsere beiden Rassen aufeinanderprallen zu lassen, haben wir Roma den Gaje misstraut und sie gefürchtet, und mit gutem Grund, und sie misstrauten und fürchteten uns, aus Gründen, die mir jedenfalls nicht ganz so stichhaltig erscheinen wollen. Aber vielleicht war ja ein Teil dieser Furcht, dieses argwöhnische Misstrauen ganz unnötig … auf beiden Seiten. Also erscheint es mir jetzt auch nicht mehr von Wichtigkeit, die Rolle zu verheimlichen, die der Fünfzehnte spielte, als ich zum König gewählt – gemacht wurde. Und wirklich, angesichts der gewaltigen Veränderungen aus so vielen jüngeren Ereignissen, ist es wohl sogar eher nützlich, wenn die Sache an den Tag kommt.
    Wie merkwürdig, sagt ihr vielleicht, dass der Fünfzehnte sich so intensiv mit der Thronfolge bei den Roma beschäftigte, aber bei seinem eigenen Nachfolger dermaßen versagte! Es ist aber so, dass er mich als möglichen Zigeunerkönig ins Auge fasste, als er noch in der vollen Lebenskraft seiner mittleren Mannesjahre stand. Sein Verfall muss ihn plötzlicher überrascht haben, als irgend jemand hätte ahnen können, und die Ausprägung des Zustands muss weit rascher und fataler fortgeschritten sein, als wir vermuteten. Denn ich kannte den Fünfzehnten nun wirklich gut, und ich glaube einfach nicht, dass er im Vollbesitz seiner Verstandeskräfte die kaiserliche Thronfolge so in der Schwebe gelassen haben könnte, wie es dann der Fall war. Er muss den Verstand verloren haben, ehe es ihm noch möglich war, Vorkehrungen für die Nachfolge zu treffen, denn es erscheint mir als ziemlich unmöglich, dass dieser Mann sich so aus dem Leben stehlen sollte, wie es dann kam: dass nämlich die Erz-Herrchen Sunteil und Naria und Periandros miteinander um den Thron kämpfen.
    Oder vielleicht sollte ich – da ich ihn ja so gut gekannt habe – so etwas gar nicht sagen. Vielleicht – wenn man sich die Ereignisse nach seinem Tode betrachtet – wusste der Fünfzehnte Kaiser ja ganz genau, was er tat, als er es ›verabsäumte‹, das übliche Thronfolge-Dekret auszustellen. Er war wirklich ein bemerkenswerter Mann und Mensch, und er erkannte die Dinge mit außergewöhnlicher Klarheit. Vielleicht blickte er über seinen Tod hinaus, weit über das Chaos hinaus, das darauf folgen würde, und in eine tiefere, fernere Zukunft, in der dann alles anders und verwandelt sein würde. Ich würde ihn so gern fragen, was da wirklich in seinem Kopf vorging. Aber, er ist jetzt natürlich dahin. Aber vielleicht bietet sich mir dennoch eines Tages einmal die Möglichkeit, und ich kann ihn trotzdem fragen.
     
     
    4
     
    Ich dachte aber auch ziemlich gründlich über Shandor nach, während ich wie das Gespenst meiner selbst durch die Hallen und Gänge des Königlichen Hauses der Macht streifte.
    Allerorts sah man Spuren von Kämpfen. Jemand hatte einen Versuch unternommen, das Haus zu säubern, doch ich sah tiefe Kerben in den schweren ledernen Wandbelägen, Brandnarben auf den Fußböden, Flecken, die

Weitere Kostenlose Bücher