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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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meines Thronverzichts möglicherweise einen Krieg zwischen den Welten auslösen könnte. »Kriege sind altmodisch … sie sind als Machtkonzept überholt«, so oder ähnlich hatte ich damals in prächtigem Hochmut behauptet. Und da hatte ich ihn nun, den Krieg, direkt vor meiner arroganten Nase, auf meinem Galgala, in unserer Roma-Zentrale selbst. Und die Truppen des Imperiums belagerten einen Sohn des Zigeunerkönigs, und beinahe in Sichtweite unseres Königlichen Hauses der Macht.
    Also waren Kriege alles in allem eben doch nicht aus der Mode. Und die Soldaten des Periandros hatten Shandor auch keineswegs so einfach galanterweise entkommen lassen, wie ich es mir naiv ausgedacht hatte. Nein, er, mein Sohn, hatte sich arglistig, heimlich, durch Betrug oder mit purer Gewalt den Weg aus dem Haus der Macht freigekämpft, ja, das musste es sein, und nun verfolgten sie ihn, und sie belagerten ihn. Meinen Sohn.
    Einen Tag lang, anderthalb Tage lang konnte ich an nichts anderes denken: Dass Krieg herrschte auf Galgala, und dass Akraki-Soldaten meinen Sohn zu fangen suchten. Vielleicht, um ihn zu töten!
    Ich musste etwas tun.
    Er hatte mich entmachtet, gewiss, aber er war doch immer noch mein Kind, mein Sohn … mein Erstgeborener. Einst meine Freude und mein Stolz, das kindliche Abbild meines Selbst. Ein schwieriger Junge, vielleicht kein sehr liebevolles Kind, mir für den Großteil seines Lebens entfremdet, so dass er zuletzt sogar mein Feind werden musste. Aber doch immer noch mein Sohn! Das gemeinsame Blut ließ sich nicht verleugnen. Ich hatte andere Söhne, viele, viele Söhne, wirklich, aber auf die eine oder andere Weise waren sie mir alle über diese lange Lebensspanne hinweg verloren gegangen – in der räumlichen Entfernung, durch ihr persönliches Bedürfnis, sich abzusetzen und selbst etwas zu sein, durch ihren Ehrgeiz, der sie an die fernsten Grenzen des Universums verlockte, durch Streit, durch den Tod. Wir sind ein Volk mit viel Familiensinn, wir Zigeuner, wir Roma, und wie erschütternd ist doch die Vorstellung, wie schmerzlich, dass der Roma baro, der Größte unter den Zigeunern, im Winter seiner Jahre so tief heruntergekommen sein sollte, dass er ohne ein Weib, ohne Söhne an seiner Seite leben musste. Und da war Shandor, mein Kind, mein Sohn, fast greifbar nahe … Ja, ich wollte zu ihm gehen. Vielleicht würde es zwischen uns beiden endlich eine Aussöhnung geben. Wenigstens aber würde dem Töten ein Ende bereitet werden.
    Und so geschah es, dass ich Julien kommen ließ, gerade als alles bereit war und wir uns zum Starport aufmachen wollten, um ihm abrupt zu sagen: »Wir müssen leider vorher noch einen kleinen Umweg machen, alter Freund.«
    »Was soll das heißen?«
    »In die Chrysoberyll-Berge«, sagte ich. »Um den Kämpfen ein Ende zu machen.«
    »Nein«, widersprach Julien. »Wir müssen in die Hauptstadt.«
    »Erst noch dies.«
    »Nein.«
    »Was heißt hier, nein?«
    »Bitte hör dies eine, dies einzige Mal auf mich, Yakoub! Vergiss Shandor!«
    »Wie könnte ich das?« Und dann sagte ich ihm alles, was mir durch den Kopf gegangen war, was meine Seele betrübte.
    Julien hörte mir wortlos zu. Und er blickte mich fest und mit einem Ausdruck unendlicher Zärtlichkeit und Bekümmerung an.
    »Das, genau das hatte ich befürchtet«, sagte er schließlich, als ich nichts mehr zu sagen wusste. »Dass in deinem Herzen die Liebe zu ihm aufbrechen würde, dass du dich mit ihm versöhnen wollen würdest … Ich hatte gehofft, ich könnte dich rechtzeitig von Galgala fortdrängen, bevor du die Wahrheit erfahren konntest, mein Freund. Aber jetzt bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als sie dir zu sagen.«
    »Mir – was zu sagen?«
    Er zögerte kaum merklich. »Shandor ist tot.«
    »Tot?«, fragte ich, ohne zu begreifen. »Wann? Wie?«
    »Gestern, oder vorgestern. Sie haben Traumlicht eingesetzt; so konnten sie unter der Illusionstarnung in sein Lager eindringen. Sie haben Shandor festgenommen und vor den kommandierenden Reichsgeneral gebracht.« Julien starrte zu Boden. »Und sie werden verkünden, dass er getötet wurde, als er Widerstand leistete, Yakoub. Ach, Yakoub, mon vieux, mon cher ami, wie sehr bedaure ich, dass ich dir solchen Kummer bereiten muss.«
    »Tot?« Es wollte mir einfach nicht in den Sinn.
    »Eine strategische Entscheidung. Ich hatte nichts damit zu tun. Verstehst du? Du verstehst doch, ich hatte damit wirklich nichts zu tun … Man kam zu der Entscheidung, dass er zu gefährlich

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