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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sei. Eine unabschätzbar große destabilisierende Potenz.«
    »Aber, er war doch ein Narr! Er war doch völlig außerstande, irgend etwas zu destabilisieren!«
    »Der Kaiser sah das anders, Yakoub.«
    »Also hat Periandros persönlich den Befehl gegeben, ihn zu töten?«
    »Nein, das nicht«, sagte Julien. Ich hatte den Eindruck, er sage die Wahrheit. »Nein, nicht der Sechzehnte selbst, sondern der General, der sich dadurch beim Kaiser beliebt zu machen versuchte. Er hat sich dabei übernommen, meiner Meinung nach. Bitte, Yakoub, glaub mir. Ich flehe dich an!«
    »Was soll das?«, fragte ich. »Sind wir hier im dreizehnten Jahrhundert? Aber nicht einmal damals brachten sie gefangene Fürsten um. Schlittern wir wieder in die Barbarei zurück, Julien? Ist es so?« Ich wandte ihm den Rücken zu, denn ich war erschüttert, wie heftig mich das gefühlsmäßig traf, wie stark mich mein Gram niederdrückte. Shandor! Shandor! Ach, wie hatte ich ihn verachtet, diesen elenden Sohn meiner Lenden. Und wie hatte er mir die Schmach und Schamröte ins Gesicht getrieben! Wie oft hatte ich mir gewünscht, er möge tot sein? Hundertmal in all den Jahren! Und wie zermürbte mich jetzt die Trauer um seinetwillen! Ich war genauso erschüttert wie an jenem furchtbaren Tag auf Mulano, als Damiano mir die Nachricht brachte, dass Shandor sich – wider jeglichen Brauch und Anstand – zum Roma-König erklärt hatte. Und wenn ich ihn damals mit einem Schnippen meiner Finger hätte töten können, ich hätte die Finger geschnippt. Aber jetzt – ermordet und tot durch die Hand eines Fremdlings … an dem Ort in meinem Herzen, an dem er sonst und dennoch und trotz allem einen Platz gehabt hatte, brach eine furchtbare abgründige Leere auf.
    Dann fuhr ich herum und packte Julien so hart und grob an der Schulter, dass er vor mir zurückzuweichen versuchte und es nicht konnte.
    »Gab es da Leute, die glaubten, sie täten mir einen Gefallen und es würde mich freuen, wenn Shandor tot sei? Versuchte man sich bei Periandros einzuschmeicheln mit diesem Mord – oder bei mir?«
    »Yakoub, ich beschwöre dich …«
    »Also? Was?«
    Julien schüttelte verzweifelt den Kopf. Seine Augen irrten wild umher, die Haare waren ihm über die Stirn ins Gesicht gefallen, die ganze wohlberechnete Eleganz war dahin. »Nein«, keuchte er nach einer Weile. » Je t'en prie, Yakoub! Ich flehe dich an, so glaub mir doch! Ich hatte nichts damit zu tun. Gar nichts! Nichts!« Ich erkannte, dass er die Wahrheit sprach. Ich ließ ihn los, und ging von ihm fort, hinaus auf den Balkon, und dort stand ich allein und starrte zu den Chrysoberyll-Bergen hinüber.
    Dort war inzwischen alles still geworden, alles friedlich. Keine Rauchwolken, kein Gefechtsfeuer. Also war es vorbei, alles. Ich fragte mich, wie viele Roma mit Shandor gestorben waren. Aber ich begriff, dass ich diese Frage Julien nicht stellen durfte. Es wäre zuviel gewesen.
    Nach einiger Zeit sprach ich: »Man schicke dem Sechzehnten eine Nachricht, dass sich leider meine Reise zur Hauptstadt um einiges verzögern wird. Ich muss mich zuvor um die Totenfeier kümmern. Und das wird ein paar Tage in Anspruch nehmen.«
    »Aber, der Kaiser …«
    »Der Kaiser – kann mich mal! Mein Sohn ist tot! Julien! Ein König der Roma ist tot! Die Bahre muss angefertigt werden. Der weiße Wanderwagen muss gebaut werden. Du kennst doch die Riten – so gut wie ich. Die Musik, die Prozession, das Begräbnis. Der Wein, das Essen. Wo liegt er, der Leichnam meines Sohnes?«
    »Die Akrakianer …«
    »Lass ihn dir von ihnen aushändigen! Dann schick die Hofbeamten zu mir. Dies wird auf anständige und richtige Weise getan werden. Und danach – aber erst dann! – werden wir beide uns auf die Reise in die Kaiserliche Hauptstadt begeben und vor den Sechzehnten treten. Und jetzt, geh! Geh! « Ich scheuchte ihn mit einer wilden unbeherrschten Handbewegung von mir. »Geh und verschwinde von hier, Julien! Lass mich allein!«
     
     
    6
     
    Die Welt, die wir nur als Zentrale, als Hauptstadt des Universums, als die Nabe und den Nabel der Galaxis bezeichnen, ist für mich ein ausgesprochen blutleerer, trübseliger und langweiliger Ort. Warum es den Gaje einfiel, ausgerechnet hier ihre ›Neue Erde‹ zu etablieren, den Sitz der Weltregierung, das werde ich wahrscheinlich nie erfahren, und es ist mir auch himmlisch egal, warum sie es taten. Da müsst ihr schon wirklich die Gaje fragen, wenn ihr verstehen wollt, was für Gründe, wenn überhaupt,

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