Zigeunerstern: Roman (German Edition)
Leute in der Hauptstadt ein und brachten Nachrichten über das entsetzliche Chaos, das sich während der Zeit meiner Einkerkerung über die Welten ausgebreitet hatte, aber auch – und dafür sei allen Göttern und Dämonen Dank! – Kunde von der wundervollen Wiederherstellung der Ordnung, die seit dem Zusammenbruch des Shandor-Aufstands sich gezeigt habe. Die Gaje-Lords mochten sich weiter herumzanken, aber wenigstens hatten wir Roma die Interstellarwege wieder eröffnet – und die Flüge verliefen planmäßig.
Zuerst kam Polarca, dann Biznaga, dann Jacinto und Ammagante und schließlich die Phuri dai. Kurz darauf trafen Damiano und Thivt ein … Valerian kam nicht. Ich hatte nicht nach ihm geschickt, auch nicht nach seinem Geist-Selbst. Es wäre nicht nur unklug gewesen, sondern außerdem auch noch recht geschmacklos, wenn ich einen auf der Fahndungsliste des Imperiums stehenden ›Erzfeind des Systems‹ wie Valerian mitten ins Zentrum dieses Systems zu kommen gebeten hätte. Periandros auf die Probe zu stellen, das war eine Sache, ihm aber so einen dicken Hund vor die Nase zu setzen – das war eben etwas völlig anderes.
Ich musste auch auf Chorian verzichten. Im Lauf der Zeit war mir der junge Fenixi unglaublich ans Herz gewachsen – und lasst uns mal nicht drum herumzimpern, ich liebte den Jungen inzwischen wirklich so, als wäre er mein Sohn –, und ich hatte beabsichtigt, ihn in meiner Regierung in immer höhere Verantwortungsbereiche aufsteigen zu lassen. Wir waren schließlich allesamt schon uralte Fossile; und ich wollte jemand um mich haben, der in diesem Jahrhundert geboren war, der mir helfen konnte, die neuen Wirklichkeiten zu begreifen.
Doch obwohl Chorian zu dem Personenkreis gehörte, den ich zu mir gebeten hatte, kam er nicht in die Hauptstadt. Also fragte ich Julien nach ihm.
»Er wird nicht kommen können«, sagte Julien.
»Wo liegt die Schwierigkeit? Ich dachte, die Interstellarschiffe verkehren wieder planmäßig, seit Shandor …«
»Doch, ja, die Interstellarschiffe verkehren wieder regelmäßig, mon ami .«
Urplötzlich in Panik versetzt, fragte ich: »Aber wo ist denn Chorian dann? Ist ihm was passiert?«
»Ach nein. Er befindet sich – soweit ich informiert bin – gesund und munter irgendwo zwischen den Haj-Qaldun-Welten«, sagte Julien. »Er hat einfach deine Einladung nicht erhalten, weiter nichts.«
»Er hat nicht? «
»Yakoub!« Juliens Stimme klang vorwurfsvoll. »Was ist denn das für eine dumme Sentimentalität? Wie könnte ich denn den Kleinen hierherbeordern? Er steht doch in Sunteils Diensten, dein zauberhafter kleiner Chorian.«
Ich spürte, wie Zorn in meinem Bauch aufloderte. »Er ist ein Rom, Julien! Einer meiner treuesten und ergebensten …«
»Vielleicht ist er das. Aber – er ist auch Sunteils Mann – dein Chorian. Du verlangst das Unmögliche, mon vieux. Die Lichterzeichen, die kann ich für dich arrangieren, selbstverständlich. Und auch sonst alles, was du willst, du brauchst es nur zu sagen. Aber dir deinen Buben herholen, der anerkanntermaßen im Dienst eines Rebellen gegen den Kaiser steht? Yakoub … Yakoub!« Er schüttelte den Kopf. »Bleib doch auf dem Teppich, Yakoub, mon ami! «
Ich war verärgert, aber ich sah ein, dass er recht hatte. König oder nicht, in diesem Punkt musste ich nachgeben. Überdies war es sowieso ziemlich töricht von mir gewesen, mir einzureden, ich könnte Chorian zu diesem Zeitpunkt in meiner Nähe haben. Es tat mir schmerzlich leid. Ich wollte ihn bei mir haben. Es wäre so nützlich für ihn gewesen, sich mit der Zentralszenerie vertraut zu machen, es hätte ihm so viel Erkenntnis bringen können, wenn er die tagtägliche Gezeitenbewegung meiner Verhandlungen mit Periandros hätte beobachten können. Aber natürlich war es unmöglich, dass er zu diesem Zeitpunkt anwesend war. Was immer er mir bedeuten mochte, er war auch ein Söldner Sunteils. Und im Grunde hätte es nicht nötig sein sollen, dass Julien mir diese Tatsache in Erinnerung rief. Also: Chorian würde sich von der Hauptstadt fernhalten müssen.
Vorläufig.
Aber er würde sozusagen in den Kulissen bereitstehen, auf sein Stichwort warten und dann seine Rolle zu spielen beginnen in dem Drama von Veränderungen und Umsturz, dem Kataklysma, das uns in Kürze bevorstand.
7
Und wieder diese Kristallstufen, die steile Leiter. Das Podest mit dem Thron – hoch, so hoch über mir. Wie oft in den vielen Jahrzehnten, die mein Leben dauerte, stand
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