Zigeunerstern: Roman (German Edition)
antwortete Julien diplomatisch.
»Ja, das nehme ich auch an.«
»Sie verbrauchen ziemlich viel Energie. Und wir leben in schweren und kostspieligen Zeiten, mon ami.«
»Ah, ja richtig. Das hatte ich völlig vergessen. Periandros ist ja ein Pfennigfuchser, ein Furzklemmer.«
»Er hat befohlen, Energie einzusparen und überflüssigen Aufwand zu unterlassen. Vorläufig, fürchte ich, gibt es also keine Lichtzinken. Es ist ja sowieso nur leeres Gepränge, mon vieux, nicht wahr? Dieses ganze nutzlos verpuffende Feuerwerk?«
»Ich sehe aber, dass der Kaiser auf seine Himmelspaniere keineswegs verzichtet.«
»Ach, aber es sind ja nur ganz wenige«, sagte Julien mit ziemlich verlegenem Gesicht. »Schließlich muss er ja die Kaiserliche Anwesenheit demonstrieren. Doch du wirst bemerkt haben, dass der Sechzehnte kaum Himmelszeichen brennen lässt, wohingegen der Fünfzehnte ganze Hunderte verschwendete. Es geht ja nur um das symbolische Minimum.«
»Auch ich habe meine königliche Anwesenheit zu demonstrieren«, sagte ich. »Ich hätte gern mein Lichtzeichen, Julien.«
»Cher ami – je t'implore …«
»Doch«, sagte ich, »meinen schönen alten Lichtzinken, fünfhundert Meter hoch und leuchtend purpurn, damit die ganze Hauptstadt weiß, dass der Rom baro zu Gast hier weilt, um mit dem Kaiser Konsultationen zu pflegen …«
Julien fühlte sich hundeelend und machte kein Hehl daraus. Doch er begriff, was ich meinte. Nicht dass ich mir gewöhnlich einen staubigen Schildkrötenscheiß aus Lichterzinken, Leuchtzeichen, Fahnen, Panieren, Orden oder sonstigen derartigen Trivialitäten machte. Wir aber standen jetzt in einer Zeit der Prüfung, und jeder musste seine Karten aufdecken. Und Periandros war mir einfach die Höflichkeitsgeste meiner Himmelszinken schuldig. Auf subtile (oder weniger subtile, was ging mich das an?) Art und Weise würde Julien seinem Herrn meine Wünsche verdeutlichen müssen. Und dann war Periandros eben gezwungen, seinen Drang zur Obolus- und Minimfuchserei, seine ganze klägliche Knauserei und Furzklemmerei, gegen den Herzenswunsch des verehrenswürdigen Zigeunerkönigs nach ein bisschen Prunk und Pracht abzuwägen. Und ich würde auf diese Weise ziemlich exakt herausfinden, wie hoch ich in der Wertschätzung des neuen Kaisers stand und wie groß mein Einfluss auf ihn in den schwierigen vor uns liegenden Zeiten sein mochte.
Auch in der nächsten Nacht blieb der Himmel dunkel. Aber in der darauffolgenden Nacht erblickte ich den traditionellen königlichen Roma-Lichtzinken, der – kaum war die Sonne untergegangen – in den Himmel vorstieß.
In seiner Gastlichkeit zumindest erwies sich der neue Kaiser als nicht so sparsam – oder aber Julien hatte ganz einfach die ihm als nötig erscheinenden Arrangements getroffen. Letzteres war wohl wahrscheinlicher, denn Periandros hätte bestimmt der Schlag getroffen, hätte er gewusst, welchen Aufwand Julien trieb, um mich bei guter Laune zu halten, während ich auf die Berater wartete, die ich für meine Unterredung mit dem Kaiser herbeizitiert hatte.
Der weitläufige prunkvolle Gästepalast der Roma war in makellosem Funktionszustand, und mir standen Scharen von Dienstpersonal zur Verfügung – Roboter, Androiden, menschliche Sklaven, die Doppelgänger von Sklaven –, kurz, ein so riesiges Personal, dass es fast lächerlich war. Zu jeder Stunde des Tages oder der Nacht standen auf Abruf die feinsten Speisen und Weinsorten für mich bereit. Musikanten, Tänzer, Gaukler und Chansonniers gleichermaßen. Und auch andere Serviceleistungen. Es war recht peinlich. Wer wollte schon diesen Menschentrubel, das ganze hoopla? Ganz besonders angesichts der Gastlichkeit, die mir mein leiblicher Sohn zuvor hatte angedeihen lassen. Glaubt nicht, dass ich mir das Kriechzeug und das labberige Schweinefutter zurückgewünscht hätte – aber das hier schlug denn doch zu stark ins andere Extrem. Ich nehme an, es ist euch bekannt, dass es überhaupt nicht der Roma-Art gemäß ist, sich dermaßen großen Luxus zu gönnen. Es ist vielmehr die irrige Vorstellung, die die Gaje sich davon machen, was so die typische Lebensweise der Roma ist; oder vielleicht fühlen sich die Gaje dermaßen schuldbeladen wegen der Behandlung, die sie uns über die Jahrtausende hin ›zuteil‹ werden ließen, dass sie das Gefühl haben, sie müssten jetzt – wenn immer der Rom baro in ihre Stadt kommt – auf diese übertriebene Weise eine Art Wiedergutmachung leisten.
Tag um Tag trafen meine
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