Zigeunerstern: Roman (German Edition)
mit allem durch unsichtbare Halterungen und Gestrebe verbunden, von denen wir Menschen uns einbilden, wir verstünden sie.
Dann dachte ich an unseren kleinen Winkel in dieser Immensität, diesen Mückenschiss, den unsere paar hundert Sonnensysteme innerhalb unserer eigenen Galaxis darstellten … diese Galaxis, die dir so unendlich weit erscheint, wenn du draußen in ihr herumreist, und die doch nichts weiter ist als ein kleines Fädchen in dem ganzen Kolossalgewebe. Die Welten der Menschen – der Gaje und der Roma – Königreich und Kaiser-Imperium … Dieses ganze verworrene Gerangel, unsere ganzen gescheiten Schachzüge, das alles war so erbärmlich winzig vor dem gewaltigen Himmel. Winzig, ja, erbärmlich, nein, nicht unerheblich, unwichtig oder nichtssagend, denn was war schließlich das ganze Universum schon anderes als ein Atom neben einem anderen und einem weiteren und noch einem und so fort, und jedes einzelne war für die Gesamtstruktur genauso wichtig wie ein anderes. Nein, nicht unwichtig, nicht bedeutungslos … Nichts, was ist, ist unwichtig oder bedeutungslos. Nimm ein kleines Atom fort aus dem Universum – und alles bricht zusammen.
So war das also, sie würden bald einen neuen Kaiser brauchen in diesem kleinen Winkel des Universums, der uns so unglaublich wichtig, der unser ein und alles war? Nun, die Situation war mir vertraut. Ich war bereits zur Stelle, als der Vierzehnte Kaiser im Sterben lag, und ich bin sogar alt genug, mich noch an die letzten Tage des Dreizehnten zu erinnern … Es birgt gewisse Gefahren in sich, wenn man beim Sterben eines Kaisers in der Nähe ist, genau wie es gefährlich ist, einem erlöschenden Stern nahe zu sein, wenn er stirbt. Der Stern loderte neun Milliarden Jahre vor sich hin, und auf einmal hat er seine Laufbahn so ziemlich beendet: In ganz kurzer Zeit wird der wilde Tanz der heißen kleinen Nuklei für immer zum Stillstand kommen, und da wird nur noch ein Ball schwarzer Kälte sein, wo vordem grausames ungezähmtes Licht verströmte. Und dann geschieht es, und in diesem Augenblick der Geburt der Leere strömt mit gewaltigem pfeifenden Getöse aus sämtlichen Ecken des Kosmos gleichzeitig wie aus Blasbälgen Luft in die Leere. Und wenn dieser kosmische Windsturm vorbeifegt, und du bist dann zufällig in der Gegend, dann kannst du dabei Hals über Kopf in alle nur denkbaren Ecken und hintersten Winkel des Universums geweht werden.
(Aber selbstverständlich weiß ich, dass es im interstellaren Raum keine Luft gibt. Seid doch – verdammt noch mal – keine wortklauberischen Idioten! Sondern versucht zu begreifen, was der Sinn dessen ist, was ich euch sage!)
So war also jetzt der Fünfzehnte dem Tode nahe, und nach seinem Dahinscheiden würden gewaltige Wirbelstürme einsetzen. Und später, wenn das Getöse sich wieder gelegt hatte, und eine tödliche Stille sich breitmachte, würden sie einen zum Sechzehnten Kaiser salben müssen und das Universum in seine Hand legen. Zur Wahl standen Sunteil, Periandros und Naria. Die drei Großen Lords des Reiches. Nun, das war für mich weiter nicht überraschend. Ich kannte sie schließlich alle drei. Ich hatte ihren Aufstieg verfolgt und genau beobachtet, wie sie auf ihre Positionen vorrückten. Ein Jahr um das andere das subtile Ellbogengerangel und Manövrieren, bis die Macht endlich auf Griffweite nahekam; und nun galt es nur noch ein einziges Manöver durchzustehen. Die Nerven aller waren bis zum Zerreißen gespannt, solange das Ergebnis nicht feststand.
(Um wie vieles einfacher wäre es doch vermutlich für alle gewesen, hätten wir von Anfang an das Reich als Erbmonarchie eingerichtet. Der designierte Thronfolger wäre dann jedermann schon recht frühzeitig bekannt. Es gäbe diese scheußliche Furcht vor einem chaotischen Interregnum nicht. Die Bürokraten, auf deren Schultern ja schließlich das ganze System in Wahrheit ruht, hätten genügend Zeit gehabt, den neuen Mann abzuschätzen und sich klare Methoden auszudenken, wie sie ihn unter Kontrolle halten könnten, damit der ganze Laden, schön gutgeölt und wie bisher, nach dem Machtwechsel weiterlaufen könne.)
(Noch ein Nebengedanke: Gewiss, das alles wäre für alle Beteiligten einfacher. Aber es wäre auch außerordentlich töricht, und langfristig müsste es in die Katastrophe führen. Die Geschichte der erblichen Monarchien zeigt uns, dass dieses System genau wie ein Würfelspiel ist – du kannst eine heiße Serie erwischen und fünf-, sechsmal
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