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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zerstörerischen Kräfte.«
    Dagegen konnte man nichts sagen. Das verwischte die Grenze zwischen Politik und Physik. Und über Physik streite ich nie.
    »Sie werden es schon hinkriegen«, sagte ich, etwas ruhiger, aber ohne große Überzeugung. Ich vermute, was ich da erlebte, war der Anfang eines langsamen Vertrauensschwunds. »Eine verbindliche Übereinkunft zwischen ihnen. Eine vernünftige Aufteilung der Autorität. Möglicherweise sogar eine Teilung des Reiches, wer weiß? Wäre es denn so abwegig als Möglichkeit?«
    »Es gibt nicht nur ein Vakuum, sondern zwei«, redete er weiter, als hätte ich überhaupt nicht gesprochen. »Denn es fehlt zusätzlich der König der Zigeuner.«
    »Fang mir bitte nicht wieder damit an, Julien!«
    »Sag mir nur das eine, Yakoub, und lassen wir einmal die Frage ganz beiseite, ob du die Macht wieder übernimmst – wie wäre es denn, wenn du ins Reich zurückkehren und um eine Audienz beim Kaiser bitten würdest –, und er würde dich natürlich empfangen, gleichgültig ob du König bist oder nicht – und ihm dabei klarmachtest, worin die Krise wirklich besteht?«
    Jetzt begriff ich, was für ein Spiel er wirklich spielte. Und es passte mir ganz und gar nicht.
    Ich fragte: »Und dann könnte ich ja vielleicht gleich auch noch den Lord Periandros als kaiserlichen Nachfolger vorschlagen, wie?«
    Julien errötete. »Hältst du mich wirklich für so ungeschliffen, dass ich so etwas von dir erbitten würde?«
    »Aber du setzt auf Periandros, nicht wahr?«
    »Ich setze auf Stabilität. Gewiss, ich stehe Periandros nahe. Aber ich sähe lieber die Krone auf dem Kopf von Sunteil oder von Naria, als dass ein Bürgerkrieg das Reich zertrümmert. Das einzig Wichtige ist doch nur, dass es überhaupt eine Kontinuität, eine Herrschaftsnachfolge gibt. Und du, du könntest diesen Gedanken möglicherweise dem Kaiser plausibel machen. Denn keiner außer dir würde es wagen, über diese Themen zu ihm zu sprechen.«
    »Julien, ich habe abgedankt.«
    »Ja, und das System ist seit deinem Abgang nicht mehr ausgewogen.«
    »Polarca hat mit praktisch genauso vielen Worten wie du das gleiche gesagt. Polarcas Geist, natürlich. Na, dann soll doch das System aus dem Gleichgewicht sein! Ich gebe einen Rattenfurz auf die Ausgewogenheit des Systems, Julien.«
    »Yakoub …«
    »Einen Rattenfurz! «
    »Aber die Gefahr des Krieges …«
    Ich wedelte ungeduldig mit den Händen, als wären seine Worte eben jene gasförmigen Körperentleerungen und als versuchte ich frische Luft herbeizufächeln.
    »Wenn du doch nur überlegen würdest, Yakoub, wie hoch dieses Risiko ist, wenn wir zulassen, dass eine derartige Instabilität …«
    Und wieder schnitt ich ihm das Wort ab. »Nein! Jetzt reicht es mir!«, sagte ich. Und dann setzte ich hinzu: »Wie hieß das Zeug, das du uns da vorhin vorgesetzt hast, Julien?«
    Seufzend antwortete er: »Cassoulet, mon ami.«
    »Und wie wird es zubereitet?«
    Die sicherste Methode, einen Franzosen auf andere Gedanken zu bringen, besteht darin, ihn um ein Rezept zu bitten.
    »Es ist der Würst mit Knoblauch und die Brüst vom Lamm und Filet von Schwein, und man gibt hinzu die weiße Böhnen, und dann …«
    »Also, es hat himmlisch geschmeckt«, sagte ich. »Ab-so-lut himmlisch! Ich muss das unbedingt noch einmal probieren.«
     
     
    6
     
    Dann kam die Nacht. Wir saßen stumm beisammen. Es ist eines der Privilegien sehr langer Freundschaft, dass man sich gegenübersitzen kann, ohne reden zu müssen. Graupelschauer prasselten einige Zeitlang heftig gegen mein Fenster. Dann zog der Sturm weiter, und der Himmel begann aufzuklaren. Durch die faseriger werdenden Sturmwolken stachen nach und nach die Sterne und funkelten mit jener fast schneidenden Intensität vor dem schwarzen Himmelsabgrund, wie man es nur auf Welten erleben und sehen kann, auf denen keine Menschen hausen.
    Ich saß ruhig da, gewiss. Ich verspürte die wohlige Gefülltheit meines Magens, fühlte aber auch eine gewisse Last auf den Schultern, von der ich wusste, dass sie das Gewicht des ganzen Universums war, das sich über mir bewegte. Dieser ungeheuerlich riesige, unvorstellbare Uhrwerkmechanismus, diese milliardenmal Milliarden stummer Sternensonnen, die auf ihren Bahnen in den Himmel dahinzogen und ihre Milliarden und Abermilliarden Planetenwelten voranpeitschten, während sie sich alle um die unbekannte Achse drehten, die – irgendwo – das Zentrum von alledem bildete. Alles in alles verwoben und verknüpft, alles

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