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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ertragen hat und bei dem sich durch eine Katastrophe nun jede Hemmung löst. Er redete wie ein Wasserfall. Obwohl er ahnen mußte, daß ich sein Rivale war und demnach wenig Sympathien für ihn hegte, focht ihn dieser Umstand nicht an, auch an mein Mitleid zu appellieren.
    Am Fuß des Adonisthrons stießen wir auf ein paar Flieger. Sie waren neugierig und beflissen zu helfen, deshalb kehrte ich ins Camp zurück. Wenn die Libelle erst im Hangar stand und Somps seine Werkzeuge zur Hand hatte, dann würde er bestimmt stundenlang an ihr herumwerkeln.
    Im Camp war inzwischen der Teufel los. Mit staunenswerter Unverfrorenheit behauptete Krokodil Nr. 2, Hillis' Sicherheitsbeauftragter, er müsse Darrow festnehmen. Es entwickelte sich ein heftiger Streit, denn man hielt es für brutal und unfair, Darrow wie einen gemeinen Dieb zu behandeln, da sein einziges Vergehen darin bestanden hatte, eine tollkühne Aktion zu wagen.
    Darrow muß man hoch anrechnen, daß er auf die häßlichen Anschuldigungen überhaupt nicht einging. Er überhörte sie einfach. Er saß in einem hochlehnigen Korbsessel, der bandagierte Fuß ruhte auf einem ledernen Polster. Das hellblonde Haar war straff zurückgekämmt, so daß man die zerschrammte Stirn sah.
    Die Libelle sei eine großartige Konstruktion, erklärte er, lediglich die schludrige technische Ausführung, für die die Firma Hillis verantwortlich zeichnete, habe sein Leben gefährdet. Immer, wenn seine Erzählung einen dramatischen Höhepunkt erreichte, lehnte er sich mit einem halb unterdrückten Schmerzensschauer zurück und griff nach der Hand von Mari Kuniyoshi, die dicht neben ihm saß und ihn anhimmelte. Kein Gericht der ganzen Welt hätte ihn verurteilt. Denn die Menschen lieben einen Romeo, mein werter MacLuhan.
    Erschüttert von den Ereignissen des Tages, hatte sich der alte Dr. Hillis in seine Gemächer zurückgezogen. Schließlich tauchte Leona auf und klärte die Situation. Sie beschimpfte Darrow und warf ihn anschließend hinaus. Mari Kuniyoshi, die schwor, nicht von seiner Seite zu weichen, ging mit ihm. Die meisten der jüngeren Gäste entfernten sich gleichfalls, teils um ihre Solidarität mit Darrow zu bekunden, teils um den peinlichen Vorfall in aller Ausführlichkeit unter sich auszuschlachten. Es geht doch nichts über einen unterhaltsamen Klatsch, mein lieber MacLuhan.
    Der arme Fred Solokov, der ohne eigenes Dazutun plötzlich zur Zielscheibe des allgemeinen Spotts geworden war, stürmte ebenfalls davon. Ich befand mich unter der kleinen Schar von Zuschauern, die beobachteten, wie er gegen Mitternacht sein Gepäck in einen Hubschrauberroboter warf.
    »Das lasse ich mir nicht gefallen«, schimpfte er lauthals. »Hillis ist ja verrückt. Das weiß ich, seit ich mit ihm in Tyuratam zusammenarbeitete. Und warum man heutzutage junge Rowdies wie diesen Darrow bewundert, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.«
    Ehrlich, er tat mir leid. Ich ging auf ihn zu und gab ihm die Hand. »Schade, daß Sie uns verlassen, Fred. Ich bin sicher, daß wir uns unter günstigeren Umständen wiedersehen werden.«
    »Trauen Sie keiner Frau!« orakelte er finster. Er gürtete seinen Trenchcoat, dann bestieg er den Hubschrauberroboter und schlug die vakuumversiegelte Tür zu. Mit einem leisen Surren des Propellers erhob er sich in die Nachtluft.
    Er ist ein feiner Mann, und ich freue mich, daß ich ihn kenne, MacLuhan. Ich werde darüber nachdenken, wie man die Geschichte wiedergutmachen kann.
    Danach hastete ich in mein Zimmer zurück. Jetzt, da so viele Gäste fort waren, fiel es Leona und mir leichter, unsere heimlichen Rendezvous beizubehalten. Leider hatten wir keine Zeit mehr gehabt, Einzelheiten zu besprechen. Mich quälten die üblichen Zweifel des Liebenden; ob sie überhaupt kommen werde. Schließlich hatte sie einen harten Tag hinter sich, und carezza ist nichts für überstrapazierte Nerven.
    Trotzdem wartete ich auf sie, denn ich hätte es als schlimmes Verbrechen empfunden, wäre sie erschienen und hätte mich schlafend angetroffen.
    Um halb zwei wurde ich für mein Ausharren belohnt. Unter der Tür schimmerte ein matter Lichtschein auf. Doch er wanderte vorbei.
    Geräuschlos öffnete ich die Tür einen Spaltbreit. Eine Gestalt in einem weißen Nachthemd schlich auf bloßen Füßen durch das runde Foyer der Kuppel. Leona konnte es nicht sein, denn sie ist gertenschlank, und die Gestalt war klein und gedrungen. Außerdem war das lose herabfallende Haar nicht blond, sondern von einem

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