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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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langweiligen Braun. Da erkannte ich Claire Berger.
    Ich band meinen Pyjama zu und pirschte ihr hinterher, klammheimlich wie ein mittelalterlicher Meuchelmörder.
    Sie blieb stehen und kratzte schüchtern mit dem Zeigefinger an eine Tür. Auch ohne meinen Codeschlüssel wußte ich, daß dahinter Dr. Somps' Zimmer lag. Rasch wurde die Tür geöffnet, und ich versteckte mich gerade noch rechtzeitig, um Claires spähendem Blick zu entgehen.
    Ich gewährte den beiden armen Teufeln eine Gnadenfrist von einer Viertelstunde. Ich huschte in mein Zimmer zurück, schrieb etwas auf ein Blatt Papier und ging damit zu Dr. Somps' Tür. Natürlich war sie abgesperrt. Ich klopfte leise an und schob den Zettel durch die Ritze am Fußboden.
    Nach einigem verstohlenen Gewisper und Getuschel öffnete sich die Tür. Ich schlüpfte ins Zimmer. Claires Gesicht war hochrot. Wütend funkelte sie mich an. Somps ballte die Fäuste.
    »Na schön«, knurrte er, »Sie haben uns also erwischt. Was verlangen Sie?«
    »Was verlangt ein Mann schon?« entgegnete ich freundlich. »Ein bißchen Gesellschaft, ein wenig Zuneigung, den Austausch mit einer verwandten Seele. Ich will Leona.«
    »Das dachte ich mir«, versetzte Somps zornbebend. »Seit sie in Seattle war, hat sie sich verändert. Sie mochte mich nie besonders, aber früher hat sie mich wenigstens nicht gehaßt. Ich wußte, daß ihr jemand nachstellte. Nun, ich habe eine Überraschung für Sie, Mister de Kooning. Leona weiß es noch nicht, aber ich unterhielt mich mit Dr. Hillis, der mich einweihte. Er steht kurz vor dem Bankrott! Seine Firma ist hoch verschuldet!«
    »Ach?« erwiderte ich interessiert. »So?«
    »Durch seinen Versuch, die Vergangenheit zurückzuholen, hat er sich runiniert.« Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. »Seinen alten Kumpanen zahlte er gigantische Gehälter, außerdem finanzierte er Hunderte von schrulligen Projekten. Vom Erfolg meiner Arbeit hing seine wirtschaftliche Sanierung ab. Ohne mich, ohne die Libelle, bricht sein gesamtes Imperium zusammen!« Trotzig starrte er mich an.
    »Tatsächlich?« fragte ich. »Das ist ja ein tolles Ding! Ich sagte schon immer, Leona lasse sich von dem ganzen Unsinn versklaven. Ein Imperium – daß ich nicht lache! Ein Papiertiger ist das, nichts weiter. Dieser alte Gauner!« Ich lachte schallend auf. »Nun ja, Marvin. Wir werden gleich mal ein Wörtchen mit ihm reden.«
    »Wie bitte?« Somps erbleichte.
    Ich schlug ihm auf die Schulter. »Wir brauchen uns nicht länger etwas vorzumachen. Leona interessiert Sie nicht; ich will sie haben. Na schön, es steht ein bißchen Geld auf dem Spiel. Aber hier geht es um Liebe, Mann! Um unser Glück! Ließen Sie es etwa zu, daß sich irgendein alter Trottel zwischen Sie und Claire stellte?«
    Somps errötete. »Wir haben uns nur unterhalten.«
    »Ich kenne doch Claire«, widersprach ich galant. »Sie ist Mari Kuniyoshis Freundin. Sie kam bestimmt nicht zu Ihnen, um über Technik zu diskutieren.«
    Claire hob den Blick. Ihre Augen wurden feucht. »Finden Sie das Ganze etwa komisch? Ich bitte Sie«, flehte sie mich an, »zerstören Sie Marvins Hoffnungen nicht ganz! Wir haben schon genug Probleme.«
    Gewaltsam zerrte ich Somps auf den Flur hinaus. Hinter uns schloß ich die Tür. Er riß sich von mir los und sah aus, als wolle er mich schlagen. »Hören Sie«, zischte ich, »diese Frau liebt Sie abgöttisch! Wie können Sie es wagen, ihre Gefühle mit Füßen zu treten? Kennen Sie denn kein Mitleid, keine Sensibilität? Spüren Sie denn nicht, was Claire für Sie empfindet? Ihr eigenes Glück ist ihr weniger wichtig als Ihr Erfolg.«
    Somps wirkte unschlüssig. Er glotzte die geschlossene Tür an. »Früher hatte ich nie die Zeit dazu. Ich … ich wußte gar nicht, wie schön das alles sein kann.«
    »Verdammt noch mal, Somps, seien Sie ein Mann!« redete ich auf ihn ein. »Wir sprechen gleich mit dem alten Drachen und fechten den Kampf gemeinsam aus.«
    Wir eilten hinunter zu Hillis' Suite. Ich öffnete die Tür, sie war nicht abgesperrt.
    Aus dem Schlafzimmer erklang ein Stöhnen.
    Mein lieber MacLuhan, Du bist mein ältester und engster Freund. Wir haben einander vieles gebeichtet. Erinnerst Du Dich noch, wie wir vor langer Zeit, wir gingen noch zur Schule, einen Pakt schlossen? Wir schworen, die Streiche des anderen nie zu verraten und über seine Geheimnisse Stillschweigen zu bewahren, bis ins Grab. Diese Abmachung hat uns gute Dienste geleistet und uns beiden das Leben häufig

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