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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Winter leise.
    »Was? Was hast du gesagt?«
    »Wie jetzt«, sagte Winter. »Wir können uns keinen Reim darauf machen, was das mit Paulas Hand zu bedeuten hat.«
    Halders schwieg. Er musterte stumm die Betonarme, die die Scheinwerfer beim Ullevi gleichsam in den Himmel stemmten. Noch einige wenige Abende und sie würden wie die Sonne leuchten. Bald würde das Derby ausgetragen.
    Halders drehte sich zu Winter um. »Zufälle gibt es.«
    »Wie dieser Junge, meinst du? Ist er nur ein Zufall?«
    Winter bemerkte den Schweißfilm im Haaransatz des Jungen. Es war nicht besonders warm im Raum. Die Luft war nicht mehr gut. Hier roch es auf eine Weise wie nirgendwo sonst. Viele hatten in diesem Raum geschwitzt. Vielleicht war ein Geruch von all dem hängen geblieben, was hier gesagt worden war, allen Wörtern, die ausgesprochen worden waren. Allen Lügen, Ausflüchten. Eine Bibliothek der Lügen. Warum nicht? Ohne Bücher. Nur der Gestank schäbiger Worte.
    Manchmal war die Wahrheit ans Licht gekommen. War plötzlich aufgeflammt wie ein Licht in der Dunkelheit. Wie ein Scheinwerferstrahl. Danach hatten alle nach Hause gehen können, in ihre Zellen, in ihre Wohnungen, zu ihren Häusern in den Vororten. Zu den Gräbern, dachte er plötzlich. Die wahren Hauptpersonen waren ständig bei den Verhören anwesend. Die Toten. Die Opfer. Wenn, selten genug, die Wahrheit aufblitzte, fanden sie ihren Frieden.
    »Wie haben Sie Paula kennen gelernt, Jonas?«
    »Hab ich das nicht erzählt?«
    »Wie haben Sie sich kennen gelernt?« Winter ließ seine Stimme neutral klingen. »Antworten Sie nur auf die Frage.«
    »Kennen gelernt … Wir haben uns einige Male unterhalten. Das habe ich … Ihrem Kollegen schon erzählt.« Jonas hob den Blick, nachdem er lange auf die Tischplatte gestarrt hatte. »Ich hab alles, was ich weiß, Ihrem Kollegen erzählt.«
    »Wie haben Sie sich kennen gelernt?«, wiederholte Winter.
    »Daran kann ich mich nicht erinnern. Wahrscheinlich in einem Café. Vielleicht haben wir am selben Tisch gesessen.« Er sah sich im Raum um, als hätte der sich in das Café verwandelt, und er versuchte den Tisch zu finden, an dem sie gesessen hatten. »So war es. Ich saß schon da, und sie kam und setzte sich dazu. Es war vermutlich der einzige freie Stuhl.«
    »War sie allein?«
    »Ja … Ich glaube, es gab nur einen freien Stuhl.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Passiert … Nichts ist passiert. Wir haben wohl ein paar Worte gewechselt, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Nur ein paar Höflichkeitsfloskeln. Ich weiß es nicht. Und dann bin ich wohl gegangen. Oder sie.«
    »Wann haben Sie sich das nächste Mal getroffen?«
    »Wir haben uns nicht getroffen, das hab ich schon hundertmal gesagt. Wir sind uns nur einige Male im Fitnessstudio begegnet. Das ist alles. Wie oft soll ich das noch wiederholen?«
    Hundertmal, dachte Winter. Es könnte sein, dass du es noch hundertmal sagen musst und dann noch mal hundertmal.
    »Aber Sie sind bekannt miteinander geworden, oder?«
    »Wir haben uns immer nur kurz unterhalten, ungefähr wie beim ersten Mal.«
    »Nur Höflichkeitsfloskeln?«
    »Was?«
    »Worüber haben Sie sich unterhalten?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Haben Sie davon gesprochen, sich einmal außerhalb des Studios zu treffen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Waren Sie nicht interessiert?«
    »Ich versteh nicht, was Sie meinen.«
    Winter begegnete seinem Blick. Der Junge sah nicht aus, als wollte er ihn herausfordern. Er sah auch nicht aus, als sei er dumm. Er will Zeit gewinnen. Er braucht Zeit zum Nachdenken. Worüber? »Daran interessiert, Sie mal nicht in Trainingsklamotten zu treffen«, sagte Winter. »Oder gleich ganz ohne Kleidung.« Er beugte sich vor. »Sie wissen verdammt genau, was ich meine.«
    »So weit … sind wir nicht gekommen.«
    »Haben Sie Paula mal mit andern sprechen sehen?«
    Winter ließ locker, griff erneut zu, ließ locker. Er merkte, dass der Junge sich entspannte, auch sein Körper wurde locker, kaum merklich. Die Sprache des Körpers. Manchmal war sie hundertmal deutlicher als jede andere Sprache. Es war wie mit der Stimme. Sie entlarvte hundertmal mehr als die Worte selber. Aber Jonas Sandlers’ Stimme verriet nicht viel.
    »Andern? Nein … Ist mir nicht aufgefallen.«
    »Und ihre Freundin?«
    »Hab ich nie gesehen.«
    »Sie haben Paula nie zusammen mit der Freundin gesehen?«
    »Nein, das sag ich doch. Ich hab sie nie mit jemandem zusammen gesehen.« Er blickte Winter wieder an. »Aber es

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