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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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auf die Idee, sich bei Ihren Nachforschungen in gefährliches
Fahrwasser zu begeben. Ich möchte Ihnen nicht noch einmal in letzter Sekunde das
Leben retten«, sagte Rössner streng, doch seine Augen blickten freundlich.
    Florian
dachte an die Situation vor zwei Jahren im Büro eines Winzers an der Ahr, in der
er ihn in letzter Sekunde vor den tödlichen Kugeln eines Auftragskillers bewahrt
hatte. Doch er wusste, dass es genau das war, was der Kriminalhauptkommissar von
ihm wollte: Nachforschungen anstellen. Ganz gleich, wie gefährlich sie auch sein
mochten.

Sonnabend, 09. Juli, Nachmittag
     
    Es war ihr freier Tag. Dele tauschte
den grauen Kittel gegen ein unauffälliges helles Sommerkleid, dann zog sie sich
bequeme Turnschuhe an. Sie hatte sie in einem Kaufhaus erstanden, und obwohl sie
billig gewesen waren, konnte sie in ihnen, falls nötig, gut und schnell laufen.
Die Sohle war stabil, die Form wie maßgeschneidert. Sie bewegte die Zehen hin und
her und prüfte den Spielraum, er war optimal. Sie dachte an den Sprint, den sie
neulich eingelegt hatte, als Luz’ Adoptivmutter sie hinter einem großen Busch in
der Nähe der Haustür entdeckt hatte. Aber ihre muskulösen Beine hatten sie so schnell
davongetragen, dass die Frau nicht im Entferntesten eine Chance gehabt hatte, sie
zu erwischen. Im Nachhinein hatte Dele sich gesagt, dass es im Grunde egal gewesen
wäre. Irgendwann würde der Tag der Wahrheit kommen, und sie hatte gedacht: Je eher
er kommt, desto besser. Sie seufzte. Sie würde geduldig sein müssen, Luz brauchte
Zeit, und es war sicherer, noch ein paar Tage, notfalls auch Wochen in Deckung zu
bleiben. Noch ein wenig zu warten, bis sie sich trauen konnte, bis sie sich holte,
was ihr zustand.
    Sie schwitzte,
die Luft im Wohnwagen war stickig. Kurzerhand öffnete sie ein Fenster und lehnte
sich weit hinaus. Ihr Blick schweifte umher. Etwas weiter entfernt, dort, wo die
letzten Wagen standen, saßen ein paar Artisten mit dem Zeltmeister um einen Klapptisch
herum, sie spielten Karten und schienen sich kräftig zu amüsieren, lautes Gejohle
drang zu ihr herüber. Dele beobachtete, wie Gino, der junge Jongleur, der ihr täglich
in der Abendvorstellung eine Kusshand zuwarf, sich nach einem kurzen Wortgeplänkel
zu ihnen setzte. Schnell zog sie sich in das Innere des Wohnwagens zurück. Seine
Stimme noch in ihrem Ohr, begann sie damit, beinahe mechanisch ihre schwarzen Haare
zu einem Zopf zu flechten, dann warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel, der
über dem Waschbecken hing. Ich bin’s, dachte sie. Tatsächlich. Dieselben Augen,
dieselbe Nase und derselbe Mund. Wie vor drei Wochen auch, und doch habe ich das
Gefühl, die Frau im Spiegel ist eine andere.
    Sie überlegte,
ob sie einen Hut aufsetzen sollte. In der Straße, in der Luz wohnte, durfte niemand
sie wiedererkennen, eine reine Vorsichtsmaßnahme, daher hielt sie sich an das von
ihr aufgestellte Gesetz, niemals ein zweites Mal in derselben Kleidung dort aufzutauchen.
Pippa hatte eine reiche Auswahl an Hüten, und sicher hatte sie nichts dagegen, wenn
sie einen davon auslieh. Entschlossen zog Dele eine viereckige Schachtel unter dem
Bett der spanischen Kollegin hervor, klappte sie auf und nahm eine helle Baskenmütze
heraus, die sie sich schräg auf den Kopf setzte. Den schwarzen Zopf schob sie unter
den Mützenrand, so dass er vollständig verschwand, und dann setzte sie eine Sonnenbrille
auf. Ein erneuter Blick in den Spiegel beruhigte sie, sie war nicht wiederzuerkennen.
    Plötzlich
ertönte ein schriller Pfiff, und sie zuckte zusammen. Sie sah hinaus, vor dem Wohnwagen
stand Gino. Als sie in seinem Blickfeld erschien, pfiff er gleich noch einmal, allerdings
erheblich leiser als zuvor. »Du siehst großartig aus. Der Hut steht dir phantastisch.
Bellissima!«
    Dele musste
lächeln, und plötzlich spürte sie, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.
    »Wann gehst
du mit mir aus?«, fragte Gino.
    Beinahe
hätte sie gesagt: Heute Abend . Aber sie brachte kein Wort heraus. Stumm starrte
sie ihn an, und Gino starrte zurück. Der Moment erschien ihr wie eine Ewigkeit.
Schließlich verbeugte er sich tief, zog fünf Bälle aus der Hosentasche, und dann
begann er zu jonglieren. Schweigend sah sie ihm zu, und als er seine kleine Vorstellung
beendet hatte, verbeugte er sich erneut. Dann nahm er einen Ball und warf ihn zu
ihr durchs Fenster, geistesgegenwärtig fing sie ihn auf.
    »Ciao, Bella«,
sagte Gino. Dann drehte er sich um und schlenderte in

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