Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Bindungsängste behandelt hatte, darauf anzusprechen.
Wo war Sylvia Gerlach überhaupt?
Die Kaffeemaschine,
die auf dem Fensterbrett stand, spie mit letzter Kraft röchelnd eine hellbraune
Flüssigkeit aus, und Florian überlegte, ob er von dem Gebräu tatsächlich etwas probieren
wollte.
Sollte er
den Kriminalhauptkommissar nach Sylvia Gerlach fragen? Sie war damals nett zu ihm
gewesen, und er hatte sie gemocht. Aber er wollte nicht neugierig erscheinen, außerdem
wollte er keine falschen Signale aussenden und Rössner keinen Anlass für unnötige
Spekulationen bieten. Dass die Kriminalkommissarin mit ihren hellen Locken, den
blauen Augen und mit ihrer direkten Art attraktiv auf Männer wirkte, war sicher
auch ihrem Chef klar. Sie besaß zwar keine Model-Maße, aber sie hatte Appeal .
Florian kam die Frage in den Sinn, ob Rössner liiert war, und wenn ja, wie der Typ
Frau aussehen mochte, der ihm gefiel. Er tippte auf blond, aber vielleicht bevorzugte
ein Alpha-Tier wie er auch eher Rothaarige. Er vermutete, dass er allein lebte,
vielleicht geschieden war, die harten Züge um seinen Mund ließen diesen Schluss
zu.
Rössner
schenkte ein, und vorsichtig nippte Florian an dem Kaffee. Langsam stellte er den
Becher wieder zurück auf den Tisch.
»Schmeckt
er Ihnen nicht?«, wollte Rössner wissen.
»Er ist
einfach ein bisschen zu heiß.« Florian grinste. Verlegenheitslügen waren erlaubt,
er wusste, dass die Wahrheit nicht immer angebracht war. Während Rössner seinen
Schrank nach Süßstoff absuchte, dachte er an den vergangenen Abend. Es war spät
geworden, er und Jana hatten bis tief in die Nacht über sein Verhältnis zu seinem
Vater gesprochen. Er hatte ihn vor zwei Jahren erst kennengelernt, denn seine Mutter
hatte ihm seine Existenz jahrelang verschwiegen. Was uns fehlt, sind die Erinnerungen
gemeinsamer Jahre , hatte er gesagt und damit die Distanz verteidigt, die das
Verhältnis zu seinem Vater bis heute prägte. Jana hatte ihm vorgeworfen, dass er
sich im Grunde genommen gar nicht auf ihn einlassen wolle, genauso wenig wie auf
sie. Das Gespräch steckte ihm noch in den Knochen.
»Wie gut
kannten sie Sabrina Delson?«, drang Rössners Stimme an sein Ohr.
»Wie ich
bereits sagte: Wir waren vor Jahren einmal zusammen, das ist aber schon lange her.«
»Wie lange?«
»Vor 13
Jahren hat sie mich verlassen.«
»Warum?«
»Wegen eines
anderen.«
Rössner
nickte, und Florian stellte fest, dass ihm Rössners Fragen nahe gingen.
»Seither
hatten Sie keinen Kontakt mehr zueinander?«
»Nein, aber
ich bin von meiner Mutter darüber auf dem Laufenden gehalten worden, was sie so
macht.«
Rössner
runzelte die Augenbrauen.
»Die beiden
haben im selben Tennisclub gespielt, in Rodenkirchen«, erklärte Florian und sagte:
»Da bekommt man so manches mit. Haben Sie ihren Mörder inzwischen gefasst?«
»So einfach
ist die Angelegenheit nicht.« Der Kriminalhauptkommissar schüttelte den Kopf. »Es
gibt Verdächtige, aber wer sie umgebracht hat, wissen wir noch nicht. Heute Abend
schicken wir einen Wagen mit Megaphon durch das Gebiet, in dem sie wohnte. Wir hoffen,
das bringt etwas.«
»Einen Wagen
mit Megaphon?«, fragte Florian überrascht.
»Ja, so
sprechen wir die Anwohner an. Das machen wir manchmal, wenn der Aufruf in der Zeitung
keine oder nur wenig Resonanz bringt. Wir fordern die Leute auf diese Weise auf,
sich mit uns in Verbindung zu setzen, falls sie an dem betreffenden Tag etwas Verdächtiges
gesehen oder gehört haben. Vielleicht wissen sie etwas, was uns weiterhilft. Manchmal
sind es die Kleinigkeiten, die uns auf die richtige Spur führen.«
Florian
legte die Hände um den Kaffeebecher, wie um sich daran zu wärmen, obwohl ihm nicht
kalt war. Im Gegenteil. Die für Köln typische schwülwarme Luft trieb ihm oft genug
den Schweiß auf die Stirn. Er hatte den Eindruck, dass es ihm schwerfalle, zu atmen.
Das Fenster war zwar weit geöffnet, aber die Luft schien im Raum zu stehen und schmeckte
verbraucht.
»So ein
Wagen ist weniger personalintensiv, als die Kollegen von Tür zu Tür zu schicken.«
Florian
nickte. »Sie können nicht überall auf gut Glück klingeln.«
»Aber wir
müssen herausfinden, was in den Stunden vor dem Mord passiert ist. Nur so kommen
wir weiter.«
Die Tür
ging auf, herein kam Sylvia Gerlach. Über Florians Gesicht glitt ein erfreutes Lächeln,
und unwillkürlich straffte er seinen Rücken. Sie grüßte, zog einen Stuhl heran und
setzte sich ihm seitlich gegenüber,
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