Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
war beruhigt. Er hoffte, dass es
Jana gelang, das Mädchen noch eine Weile dort festzuhalten. Warum hatte Sabrinas
Schwester sie eigentlich nicht von der Schule abgeholt? Ging Luz immer allein nach
Hause?
Susan Gayles
Stimme verstummte, und Florian stierte auf die Tür, hinter der es ruhig geworden
war. War der Mann, der Luz eben noch so derb gerüttelt hatte, in ihrem Büro? Er
überlegte einen Moment, dann öffnete er mit einem so heftigen Ruck die Tür, dass
sie aufflog. Fassungslos starrte die Rektorin ihn hinter ihrem Schreibtisch an.
In der Hand hielt sie einen Flachmann. Ein paar Tropfen, die sie vor Schreck verschüttet
hatte, rannen aus ihrem Mund.
»Oh, Entschuldigung
… komme ich ungelegen?«, fragte Florian. Rasch ließ er seinen Blick durch den Raum
schweifen, und er stellte fest, dass sie allein waren. Susan Gayle musste telefoniert
haben. Er deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Darf ich?«
Sie nickte,
doch ihrem gezwungenen Lächeln war anzumerken, dass sie kein allzu großes Interesse
daran hatte, ein Gespräch mit ihm zu führen. Sie stellte die Flasche auf den Schreibtisch
und sagte entschuldigend: »Die Woche war anstrengend. Darf ich Ihnen einen Kaffee
anbieten?«
»Danke,
nein.« Er beugte sich zu ihr hinüber, klappte sein Handy auf und hielt ihr das Foto
hin. »Kennen Sie diesen Mann?«
Sie schüttelte
den Kopf, und er bemerkte, dass ihre Augen leicht glasig waren.
»Ich habe
ihn nie gesehen, aber was soll das alles? Sie führen sich auf, als hätte Ihnen niemand
auch nur ein Minimum an Manieren beigebracht.«
»Sie haben
recht. Verzeihen Sie den Überfall.« Florian erhob sich und verbeugte sich. Dann
setzte er sich wieder. »Es gibt einen Grund für mein schlechtes Benehmen. Der Mann
auf dem Foto hat soeben Luz Delson belästigt, und ich vermutete ihn hier bei Ihnen.«
»Wie kommen
Sie auf diese abstruse Idee?«, fragte die Rektorin empört, woraufhin Florian ihr
erzählte, was er und Jana vor wenigen Minuten beobachtet hatten. Sie zeigte sich
davon jedoch unberührt. »Wahrscheinlich eine völlig harmlose Angelegenheit, ein
Verwandter oder Freund … Sie sehen Gespenster …«
Florian
strich sich über das Kinn und beobachtete sie. Der Schnaps schien die höfliche Zurückhaltung,
die er bislang an ihr kennengelernt hatte, aufgeweicht zu haben. Er war sich nicht
sicher, ob sie die Wahrheit sagte.
»Wissen
Sie, es gibt nichts Grässlicheres als Menschen, die sich in Dinge einmischen, die
sie nichts angehen …«, schnauzte sie.
Er merkte,
dass er sich beherrschen musste, um nicht laut zu werden, aber in gewisser Hinsicht
hatte sie natürlich recht. Was ging ihn das alles an? Im Grunde genommen
nichts.
»Wie viele
ausländische Kinder gehen hier eigentlich zur Schule?«, fragte er. »Das vergaß ich
beim letzten Mal zu fragen.«
Überrascht
sah sie ihn an. »Warum interessiert sie das?«
»Nur der
Information halber. Mir ist aufgefallen, dass viele Ihrer Schüler fremdländisch
aussehen.«
»Die meisten
von ihnen sind Deutsche, manche besitzen aber auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.«
»Wieso die
amerikanische?«
»Weil die
Eltern Amerikaner sind. Ich bin schließlich auch mit einem Amerikaner verheiratet.«
Florian
nickte. »Wenn es Ihnen nicht allzu viel Mühe macht, hätte ich gern die Zahlen …
nur als Hintergrundinformation.«
Susan Gayle
sah ihn nachdenklich an, dann machte sie sich eine Notiz.
»Ich habe
noch eine weitere Bitte«, sagte er. »Ich benötige ein aktuelles Foto von Sabrina.«
Leise fügte er hinzu: »Sie war Elternvertreterin, da haben Sie sicher eins.«
»Wofür brauchen
Sie es?«, fragte sie kühl.
»Das hat
private Gründe.«
»So?« Susan
Gayle zögerte einen Moment.
»Sehr private
Gründe …«
Sie runzelte
die Augenbrauen, dann erhob sie sich von ihrem Schreibtisch, ging hinüber zum Schrank
und zog einen Ordner mit Fotos daraus hervor. Nach wenigen Momenten reichte sie
ihm eins. »Das hier können Sie haben, ein Passfoto. Wir haben es vor wenigen Wochen
erst in unserer Schulzeitung gedruckt, sie hatte einen Artikel geschrieben.«
»Danke.«
Als er das Foto betrachtete, versetzte es Florian einen Stich. Sabrina war älter
geworden, ihre Züge reifer, aber ihre Augen zeigten denselben herausfordernden und
klugen Ausdruck wie früher.
»Um eins
möchte ich Sie allerdings bitten«, sagte die Rektorin.
»Ja?« Florian
sah auf.
»Selbst
wenn sie das Foto scannen sollten und dann nicht mehr benötigen, schicken Sie es
mir
Weitere Kostenlose Bücher