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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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verrückt, dass er den Drang
verspürte, sie gierig in sich aufzunehmen.
    Sie liebten
sich, und danach war er ruhiger. Mit der Ruhe kam auch die Hoffnung, entgegen aller
Bedenken eine gemeinsame Zukunft zu haben, und plötzlich fühlte er, dass die Überlegung,
gemeinsam in einer Wohnung zu leben, richtig war. In diesem Moment wollte er sich
trauen, wollte im Treibsand des Wunschbildes von einem glücklichen Leben versinken,
obwohl er es für eine Illusion hielt, dass Paare ein Leben lang glücklich sein konnten.
Falls der Himmel es gut mit einem meinte, blieben im Alter eventuell Wohlwollen
und Respekt füreinander übrig, wenn die Leidenschaft sich davon geschlichen hatte
wie eine Katze in der Nacht, und dass sie sich irgendwann auf und davon machen
würde, war gewiss. So war es allen Paaren ergangen, die er kannte.
    Er seufzte
und küsste ihr Haar, und sie schmiegte sich eng an ihn.
    Nach einer
Weile, nachdem er in ihrer Wärme gebadet hatte, kehrten die Gedanken an Sabrina
zurück. Leise murmelte er in Janas stoppelkurzes Haar, das sein Kinn kitzelte: »Die
verschwundene Guatemaltekin geht mir nicht aus dem Kopf.«
    »Wer weiß,
wo sie sich jetzt aufhält«, erwiderte Jana träge. »Vielleicht schläft sie inzwischen
unter irgendeiner Brücke oder sie hat Köln längst verlassen.«
    »Oder sie
hält sich hier in der Stadt bei jemandem versteckt. Vielleicht ist sie noch im Zirkus.«
Der Regen peitschte gegen die Fenster. Florian stand auf, um sie zu schließen. Am
Himmel zuckten Blitze.
    »Ich weiß,
was ich tun werde«, sagte er und kroch wieder unters Laken.
    Jana sah
ihn an.
    »Ich gehe
heute Abend zu Roncalli , am liebsten zusammen mit dir, doch vorher rufe ich
Lisa an und schlage vor, dass sie und Luz uns begleiten.«

Sonnabend, 16. Juli, nachmittags
     
    Dele traute sich kaum noch aus dem
Wohnwagen. Bereits den zweiten Tag hielt sie sich darin versteckt, aber in der vergangenen
Nacht, im Schutz der Dunkelheit, hatten sie Ginos Behausung verlassen. Die Enge
des Gefährts, das ihr wie ein Gefängnis vorkam, hatte ihr die Luft abgeschnürt.
Rasch und halb geduckt waren sie über das Gelände gelaufen, weg von den Menschen,
die sie kannten und die wussten, dass die Polizei nach ihr suchte. Gino hatte hoch
und heilig versprochen, keiner Menschenseele gegenüber ein Wort darüber zu verlieren,
dass er sie versteckte, dass sie sich unter seinem Schutz befand.
    Zum ersten
Mal hatte er seinen Arm um sie gelegt, und so waren sie langsam durch die Kölner
Altstadt geschlendert. Sie hatten vor einer der Kneipen Kölsch getrunken und Flammkuchen
gegessen. Danach waren sie zum Rheinufer gegangen, hatten Steine ins Wasser geworfen
und sie springen lassen, und sie hatten auf das Schwappen der Wellen gelauscht,
wenn ein großes Containerschiff vorüber fuhr. Im frühen Licht des Morgens waren
sie auf das Zirkusgelände zurückgekehrt, die letzten Meter schleichend. Sie hatten
auf jedes Geräusch geachtet und auf jeden Schatten, aber auf dem Gelände war es
ruhig gewesen, nur der Hund eines Artisten, der sie kommen hörte, hatte zweimal
heiser gebellt. Die Zirkusleute hatten fest geschlafen, nichts hatte sich geregt,
doch Deles Herz hatte vor Angst so heftig gepocht, dass sie meinte, es würde zerspringen.
    Am Morgen
nach der Gasexplosion hatte Gino eine Zeitung gekauft und sie auf den Tisch gelegt,
und mit blassen Gesichtern hatten sie hinter zugezogenen Gardinen gelesen, dass
die Gasflasche manipuliert worden war. Dele war tatsächlich vom Stuhl gekippt, und
als sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte, hatte Ginos Gesicht ganz nah über
dem ihren geschwebt. Ein mit Pfefferminzöl getränktes Tuch, das er dicht unter ihre
Nase gehalten hatte, hatte sie wieder zu sich gebracht.
    Sie hatte
Scham gespürt, als sie merkte, dass ihre Bluse geöffnet war, damit Herz und Lunge
ungehindert arbeiten konnten, und sie hatte sich beeilt, sie wieder zuzuknöpfen.
    Pippa war
umgebracht worden, daran gab es keinen Zweifel, aber Dele konnte die Nachricht einfach
nicht fassen. Stunden waren seit ihrem Tod und der Zeitungslektüre vergangen, seither
hockte sie zusammengekauert allein in einer Ecke von Ginos Wohnwagen, und in einem
schier unaufhörlichen Strom flossen Tränen aus ihren Augen. Sie tropften auf ihre
Hände, auf ihren Schoß, und sie machte sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen.
    Pippa war
tot. Je länger Dele darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihr, dass sie dort hätte liegen sollen, nicht die Spanierin. Nur

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