Zirkuskind
aufschrauben ließ, war ohnehin kaum zu
sehen, weil sie zum Teil von der falschen Vorhaut verdeckt wurde. Als Dieter das
erledigt hatte und damit seine Hauptsorge los war, zog er sich aus und ließ die
Badewanne vollaufen. Erst nachdem er es sich in der Wanne bequem gemacht hatte,
stellte Nancy die Frage, die sie beschäftigte.
»Und was wäre mit mir passiert, wenn sie mich erwischt hätten?«
»Aber sie hätten
dich nicht erwischt, babe «, versicherte ihr Dieter. Das babe hatte er in amerikanischen Filmen
aufgeschnappt, wie er sagte.
»Hättest du es mir
denn nicht sagen können?« wollte Nancy wissen.
»Dann wärst du nervös
gewesen«, sagte Dieter. »Und dann hätten sie dich bestimmt erwischt.«
Nach dem Bad rollte
er einen Joint, den sie gemeinsam rauchten; obwohl Nancy sich vorgenommen hatte,
vorsichtig zu sein, wurde sie schneller high als beabsichtigt und verlor etwas die
Orientierung. Das Zeug war stark, aber Dieter versicherte ihr, daß das noch längst
nicht der beste Stoff sei – nur etwas, was er auf dem Weg vom Flughafen hierher
gekauft hatte.
»Ich habe noch einen
kleinen Umweg gemacht«, erklärte er. Sie war zu stoned, um ihn zu fragen, wohin
er um zwei oder drei Uhr morgens gegangen sein konnte, und er machte sich nicht
die Mühe, ihr zu erzählen, daß er in einem Bordell in Kamathipura gewesen war. Er
hatte der Wirtin das Zeug abgekauft und währenddessen eine dreizehnjährige Prostituierte
für nur fünf Rupien gefickt. Angeblich war sie das einzige Mädchen, das zu dem Zeitpunkt
nicht mit einem Kunden beschäftigt war, und Dieter hatte sie im Stehen gefickt,
in einer Art Eingangshalle, da sämtliche Kojen in sämtlichen winzigen Zimmern besetzt
waren – jedenfalls hatte die madam das behauptet.
Nachdem Dieter und
Nancy den Joint geraucht hatten, gelang es Dieter, Nancy zum Masturbieren zu bewegen;
sie hatte [347] das Gefühl, daß sie lange brauchte, und konnte sich nicht erinnern,
daß er das Bett verlassen hatte, um den Dildo zu holen. Später, als er schlief,
lag sie wach und dachte eine Zeitlang über die vielen tausend Mark nach, die in
dem Ding waren, das in ihr gewesen war. Sie beschloß, Dieter nichts von dem ermordeten
Jungen und von Inspektor Patel zu erzählen. Sie stieg aus dem Bett und vergewisserte
sich, daß die Visitenkarte, die ihr der Inspektor gegeben hatte, gut versteckt zwischen
ihren Sachen lag. Statt sich wieder ins Bett zu legen, ging sie auf den Balkon hinaus
und beobachtete, wie sich in der Morgendämmerung unten die ersten Bettler einfanden.
Nach einer Weile hatten sich wieder dieselben Kinder mit ihren Kunststücken an Ort
und Stelle versammelt, wie Gestalten, die das Tageslicht malte – der verkrüppelte
Junge mit seiner gepolsterten Krücke eingeschlossen. Er winkte ihr zu. Es war so
früh, daß er sich große Mühe gab, nicht zu laut zu rufen, aber Nancy konnte ihn
deutlich hören.
»He, Lady!«
Er brachte sie zum
Weinen. Sie kehrte ins Zimmer zurück, betrachtete den schlafenden Dieter und dachte
wieder an die vielen tausend Mark. Am liebsten hätte sie sie den Kindern hinuntergeworfen,
aber der Gedanke an die fürchterliche Szene, die sie damit heraufbeschworen hätte,
machte ihr angst. Sie ging ins Bad und versuchte den Dildo aufzuschrauben, um festzustellen,
wieviel Geld sich darin befand, aber Dieter hatte das Ding zu fest zugedreht. Wahrscheinlich
mit Absicht, wie ihr klar wurde; wenigstens lernte sie dazu.
Sie durchsuchte
seine Kleider nach dem Geldgürtel, weil sie nachzählen wollte, wieviel Geld er enthielt,
konnte ihn aber nicht finden. Als sie das Bettlaken hochhob, sah sie, daß Dieter
nackt war bis auf den Geldgürtel. Es beunruhigte sie, daß sie sich weder daran erinnern
konnte, eingeschlafen zu sein, noch daran, daß Dieter aufgestanden war, um den Geldgürtel
anzulegen. Sie mußte in Zukunft vorsichtiger sein. Ganz allmählich erkannte [348] Nancy,
in welchem Ausmaß Dieter sie notfalls ausnutzen würde. Besorgt stellte sie fest,
daß sie eine morbide Neugier verspürte, herauszufinden, wie weit er gehen würde.
Um sich zu beruhigen,
ließ Nancy ihre Gedanken zu Inspektor Patel wandern. Sie wiegte sich in dem tröstlichen
Bewußtsein, daß sie sich an ihn wenden konnte, falls sie ihn brauchen, falls sie
wirklich in Schwierigkeiten geraten sollte. Obwohl es ein strahlend heller Morgen
war, zog Nancy die Vorhänge nicht zu; bei Tageslicht fiel es ihr leichter, sich
vorzustellen, daß sie, um Dieter zu verlassen, lediglich den
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