Zirkuskind
hatte, wie man unter
das Moskitonetz gelangte. Und in diesem komplizierten Stadium von Rahuls [392] Verführungsversuchen
konnte Farrokh endlich seine Ängste artikulieren. Rahul hörte den Doktor, dessen
Stimme er sogleich erkannte, deutlich ausrufen: »Ich will kein Heiliger sein! Ich
brauche diesen Arm, es ist ein sehr nützlicher Arm!«
Daraufhin begann
der Hund des Jungen in der Eingangshalle kurz zu bellen; der Junge redete beruhigend
auf ihn ein. Da Rahul Dr. Daruwalla ebenso leidenschaftlich haßte, wie er John D.
begehrte, war er entsetzt, daß er den Fuß des Doktors liebkost hatte. Es erfüllte
ihn mit Ekel, daß er an dessen großer Zehe gesaugt und hineingebissen hatte. Zudem
war ihm das Ganze peinlich. Hastig zog er sich an. Mit dem bitteren Geschmack des
Cuticura-Puders auf der Zunge kletterte er in den Innenhof hinunter, wo der Hund
in der Eingangshalle ihn ausspucken hörte. Er begann wieder zu bellen, und diesmal
schloß der Junge die Eingangstür auf und schaute beunruhigt auf den nachtfeuchten
Strand hinaus.
Der Junge hörte
Dr. Daruwalla auf dem Balkon schreien: »Kannibalen! Katholische Wahnsinnige!« Selbst
für einen unerfahrenen Hindu-Jungen war das eine furchteinflößende Kombination.
Plötzlich bellte der Hund wie verrückt, und auch der Junge war überrascht, als unversehens
Rahul vor ihm auftauchte.
»Sperr mich nicht
aus«, sagte Rahul. Der Junge ließ ihn ein und gab ihm seinen Zimmerschlüssel. Rahul
trug einen jener weiten Röcke, die sich rasch an- und ausziehen lassen, und ein
hellgelbes Trägeroberteil, das den Blick des unbeholfenen Jungen auf Rahuls wohlgeformte
Brüste lenkte. Im Normalfall hätte Rahul das Gesicht des Jungen mit beiden Händen
gepackt und an seinen Busen gezogen; dann hätte er vielleicht mit dem kleinen Pimmel
des Jungen herumgespielt oder ihn geküßt und ihm dabei die Zunge so weit in den
Mund gesteckt, daß der kleine Kerl zu würgen angefangen hätte. Aber jetzt nicht;
jetzt war Rahul nicht in Stimmung.
Er ging in sein
Zimmer hinauf und putzte sich die Zähne, [393] bis der Geschmack von Dr. Daruwallas
Cuticura-Puder verschwunden war. Dann zog er sich aus und legte sich auf sein Bett,
von dem aus er sich im Spiegel betrachten konnte. Er war nicht in der Stimmung zum
Masturbieren. Er machte ein paar Zeichnungen, aber sie gelangen ihm nicht. Rahul
war wütend auf Dr. Daruwalla, weil er in John D.s Hängematte gelegen hatte. Vor
lauter Zorn gelang es ihm nicht einmal, sich mit dem Gedanken an John D. aufzugeilen.
Im Nebenzimmer schnarchte Tante Promila.
Unten in der Eingangshalle
versuchte der Junge den Hund zu beruhigen. Es kam ihm eigenartig vor, daß er so
aufgeregt war, denn normalerweise führte er sich bei Frauen nicht so auf. Nur bei
Männern sträubte sich sein Fell, oder er ging steifbeinig umher und schnüffelte
überall, wo der Betreffende gewesen war. Der Junge wunderte sich, daß der Hund auf
Rahul so reagiert hatte. Und er selbst mußte sich auch wieder beruhigen, denn er
hatte auf Rahuls Brüste auf seine Weise reagiert; er war so erregt, daß er eine
ansehnliche Erektion hatte – für einen Jungen. Und er wußte sehr wohl, daß die Eingangshalle
des Hotel Bardez nicht der Ort war, um seinen Phantasien freien Lauf zu lassen.
Da ihm nichts anderes übrigblieb, legte er sich wieder auf seine Binsenmatte, brachte
den Hund nach vielem Zureden endlich dazu, sich neben ihn zu legen, und redete weiter
an ihn hin.
Farrokhs Bekehrung
Nancy
hatte Glück: Als sie im Morgengrauen die Sraße entlangtrottete, hielt ein Motorrad
neben ihr an. Der Fahrer hatte Mitleid und nahm sie mit. Das Motorrad war an sich
nicht berauschend, erfüllte aber seinen Zweck. Es war eine 250er Yezdi, mit roten
Plastiktroddeln an den Lenkern und Scheinwerfern mit einem aufgemalten schwarzen
Punkt in der Mitte und links [394] neben dem Hinterrad einer Schutzblende für Saris.
Da Nancy Jeans trug, schwang sie sich einfach rittlings hinter den mageren Fahrer,
den sie auf fünfzehn schätzte. Wortlos schlang sie die Arme um die Taille des Jungen;
sie wußte, daß er nicht schnell genug fahren konnte, um ihr Angst einzujagen.
Die Yezdi war mit
Sturzbügeln ausgerüstet, die wie eine Rundumverkleidung vom Fahrzeug abstanden.
In Dr. Daruwallas Jargon nannte man diese Bügel auch Schienbeinknacker, weil sie
dafür bekannt waren, daß sie den Fahrern die Schienbeine brachen – damit nur ja
der Tank nicht eingedellt wurde.
Nancys Gewicht brachte
den jungen Fahrer
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