Zirkuskind
Wetness Cabaret ausgespuckt hatte. Die letzte Show war zu
Ende, und die Männer, die noch auf keinen Fall nach Hause gehen wollten, trieben
sich herum. Gerade als Martin Mills dachte, ihm sei hier größeres Übel begegnet
als dem heiligenIgnatius von Loyola in den Straßen Roms, bahnte sich derTaxifahrer
den Weg in eine noch finsterere Hölle. Plötzlich erblickte Martin die Prostituierten
in den Menschenkäfigen an der Falkland Road.
»Die Käfigmädchen
werden begeistert sein, Sie zu sehen!« schrie Bahadur, der sich zu Inspector Dhars
Peiniger ausersehen fühlte.
Martin Mills mußte
daran denken, daß Loyola bei den reichen Leuten Geld erbettelt und damit einen Zufluchtsort
fürgefallene Frauen geschaffen hatte. In Rom hatte der Heiligeverkündet, er würde
sein Leben hingeben, wenn er damit die Sünden, die eine einzige Prostituierte in
einer einzigen Nacht begeht, verhindern könnte.
»Danke, daß Sie
mich hierhergebracht haben«, sagte der Missionar zu dem Taxifahrer, als dieser mit
quietschenden Reifen vor den Käfigen der Eunuchen-Transvestiten anhielt, die einen
unwiderstehlichen Anblick boten. Bahadur nahm an, daß die hijra -Prostituierten bei weitem die größte
Wut auf Inspector Dhar hatten. Doch zu seiner Überraschung machte Martin Mills fröhlich
die hintere Autotür auf und trat mit sichtlich gespannter Erwartung auf die Falkland
Road hinaus. Er wuchtete seinen schweren Koffer aus dem Kofferraum, und als ihm
der Taxifahrer das Fahrgeld vor die Füße schleuderte und darauf spuckte – die Fahrt
vom Flughafen war im voraus bezahlt worden –, hob Martin das feuchte Geld wieder
auf und gab es Bahadur zurück.
»Nein, nein, Sie
haben Ihre Pflicht getan. Ich bin, wo ich sein sollte«, sagte der Missionar. Langsam
bildete sich ein Kreis aus Taschendieben und Straßenmädchen mit ihren Zuhältern
um den Scholastiker, aber Bahadur schob die herandrängende [457] Menge beiseite, weil
er sichergehen wollte, daß die hijras ihren Feind sahen.
»Dhar! Inspector
Dhar! Dhar! Dhar!« schrie der Taxifahrer. Das war jedoch völlig unnötig, weil der
Name Dhar den Rufen des Taxifahrers aus der Falkland Road längst vorausgeeilt war.
Martin Mills ging ganz unbeschwert durch die Menge. Er wollte sich an diese entwürdigten
Frauen in ihren Käfigen wenden. (Es wäre ihm natürlich nie in den Sinn gekommen,
daß das gar keine richtigen Frauen waren.)
»Bitte, ich will
mit euch reden«, sagte der Missionar zu einem Transvestiten in seinem Käfig. Die
meisten hijras waren zunächst zu verblüfft, um
sich auf den verhaßten Schauspieler zu stürzen. »Ihr wißt doch sicher über die Krankheiten
Bescheid, die es heutzutage gibt, und daß ihr euch dem sicheren Tod aussetzt! Aber
ich sage euch, wenn ihr gerettet werden wollt, braucht ihr es nur wirklich zu wollen.«
Zwei Taschendiebe
und mehrere Zuhälter prügelten sich um das Geld, das Martin dem Taxifahrer zurückzugeben
versucht hatte. Bahadur war bereits mit Schlägen in die Knie gezwungen worden, und
mehrere Straßenmädchen traten auf ihn ein. Aber Martin Mills bemerkte gar nicht,
was hinter ihm vorging. Er stand den vermeintlichen Frauen in ihren Käfigen gegenüber,
und nur an sie richtete er das Wort. »St. Ignatius«, sagte er. »In Mazgaon. Das
kennen Sie doch sicher. Ich bin immer dort zu finden. Sie brauchen nur hinzukommen.«
Ein reizvoller Gedanke,
sich vorzustellen, wie Pater Julian und Pater Cecil auf diese großzügige Einladung
reagiert hätten, denn gewiß würden die Feierlichkeiten zum 125jährigen Jubiläum
der Missionsstation durch die zusätzliche Anwesenheit mehrerer Eunuchen-Transvestiten-Prostituierten
auf der Suche nach Erlösung ungleich abwechslungsreicher verlaufen. Leider waren
der Pater Rektor und der dienstälteste Priester nicht zur Stelle, um Martin Mills’
außerordentlichen Vorschlag mit [458] eigenen Ohren zu hören. Bildete sich Martin etwa
ein, die Schulkinder würden, falls die Prostituierten während der Schulzeit in St.
Ignatius eintrafen, von der sichtbaren Bekehrung dieser gefallenen »Frauen« profitieren?
»Wenn Sie auch nur
die leiseste Reue empfinden, müssen Sie dies als ein Zeichen nehmen, daß Sie gerettet
werden können«, erklärte ihnen der Scholastiker.
Der erste Schlag
kam nicht von einem hijra, sondern von einem Straßenmädchen, das sich wahrscheinlich übergangen fühlte. Sie
versetzte Martin einen Hieb ins Kreuz, so daß er taumelte und auf die Knie fiel;
dann rissen ihm die Zuhälter und
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