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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihn
bemerkte.
    »Bist du es, Martin«,
fragte Vera. »Komm und gib mir einen Guten-Morgen-Kuß.«
    Pflichtschuldig
ging Martin hinein, obwohl ihm der Anblick seiner Mutter inmitten des intensiv duftenden
Durcheinanders ihres Boudoirs zuwider war. Doch zu seiner Überraschung war weder
Vera zerwühlt noch ihr Bett. Es sah aus, als hätte sie bereits gebadet, sich die
Zähne geputzt und sich gekämmt. Die Laken waren nicht, wie üblich, infolge schlechter
Träume zerwühlt. Auch Veras Nachthemd sah hübsch und fast mädchenhaft aus. Zwar
ließ es ihren imposanten Busen deutlich erkennen, aber nicht, wie sonst meistens,
auf flittchenhafte Art. Martin gab ihr einen vorsichtigen Kuß auf die Wange.
    »Auf dem Weg in
die Kirche?« fragte ihn seine Mutter.
    »In die Messe, ja«,
sagte Martin.
    »Schläft Arif noch?«
erkundigte sich Vera.
    »Ja, ich glaube
schon«, antwortete Martin. Sobald seine Mutter Arifs Namen erwähnte, mußte er an
die peinigende Verlegenheit vom vergangenen Abend denken.
    »Ich finde, du solltest
Arif keine so… persönlichen Dinge fragen«, sagte Martin unvermittelt.
    »Persönlich? Du
meinst, sexuell?« fragte Vera ihren Sohn. »Also ehrlich, Martin, wahrscheinlich
konnte es der arme Junge kaum erwarten, mit jemandem über seine schreckliche Beschneidung
zu reden. Sei doch nicht so prüde!«
    »Ich glaube, Arif
ist ein sehr zurückhaltender Mensch«, erklärte Martin seiner Mutter. »Und«, fügte
er hinzu, »ich glaube, er ist möglicherweise ein bißchen… gestört.«
    Vera, deren Interesse
erwacht war, setzte sich im Bett auf. »Sexuell gestört?« fragte sie ihren Sohn.
»Wie kommst du denn darauf?«
    Martin empfand es
nicht als Verrat, jedenfalls damals nicht, [647]  sondern er ging davon aus, daß er
mit seiner Mutter redete, um Arif zu schützen. »Er masturbiert«, sagte er leise.
    »Meine Güte, das
möchte ich doch hoffen!« rief Vera. »Ich hoffe jedenfalls, daß du das tust!«
    Ohne auf diesen
Köder zu reagieren, antwortete Martin: »Ich meine, daß er ziemlich viel masturbiert,
fast jede Nacht.«
    »Der arme Junge!«
bemerkte Vera. »Aber es hört sich an, als würdest du das mißbilligen, Martin.«
    »Ich halte es für…
übertrieben«, entgegnete Martin.
    »Ich finde, daß
Masturbieren für Jungen in eurem Alter recht gesund ist. Hast du dieses Thema mal
mit deinem Vater besprochen?« wollte Vera wissen.
    ›Besprochen‹ war
nicht das richtige Wort. Martin hatte zugehört, wie sich Danny in beschwichtigendem
Tonfall des langen und breiten über alle Begierden und Sehnsüchte ausließ, von denen
er annahm, daß Martin sie verspürte, und darüber, daß sie völlig normal seien.
    »Ja«, sagte Martin
zu seiner Mutter. »Dad hält Masturbieren für… normal.«
    »Na also, siehst
du?« sagte Vera sarkastisch. »Wenn dein heiligmäßiger Vater schon sagt, daß es normal
ist, sollten wir es wohl alle damit versuchen!«
    »Ich komme zu spät
zur Messe«, sagte Martin.
    »Na gut, lauf zu«,
antwortete seine Mutter. Als Martin die Schlafzimmertür hinter sich schließen wollte,
versetzte ihm seine Mutter zum Abschied noch einen Hieb. »Also ich persönlich glaube
ja, daß dir Masturbieren besser bekommen würde als die Messe. Und bitte, laß die
Tür offen, das ist mir lieber so«, sagte Vera. Martin nahm den Zimmerschlüssel mit,
für den Fall, daß Arif noch schlafen sollte, wenn er von der Messe zurückkam, und
seine Mutter im Bad war oder telefonierte.
    Nach der Messe warf
er bei Brooks Brothers einen kurzen Blick in eine Auslage mit Anzügen. Die Schaufensterpuppen [648]  trugen Krawatten mit Christbäumen, und Martin fiel auf, wie weich ihre Haut aussah
– sie erinnerte ihn an Arifs perfekten Teint.
    Dann kehrte Martin
sofort in die Suite im Ritz zurück. Als er die Tür aufschloß, war er froh, daß er
den Schlüssel mitgenommen hatte, weil sich seine Mutter offenbar am Telefon unterhielt.
Es war eine einseitige Unterhaltung – man hörte nur Vera. Doch dann wurde ihm die
schreckliche Bedeutung ihrer Worte klar.
    »Ich bring dich
dazu, noch mal abzuspritzen«, sagte seine Mutter. »Ich weiß hundertprozentig, daß
du nochmal abspritzen kannst… ich kann dich spüren. Gleich spritzt du ab,stimmt’s?
Hab ich recht?« wiederholte seine Mutter. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer war immer
noch offen – ein bißchen weiter als zuvor –, und Martin konnte ihren nackten Rücken,
ihre nackten Hüften und den Spalt ihres wohlgeformten Hinterteils sehen. Sie ritt
Arif Koma, der

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