Zirkuskind
sexuelle
Neigung ankämpfte, was war dann mit John D.?
[731] Dr. Duncan Frasier
hatte Dr. Daruwalla davon überzeugt, daß Homosexualität eher eine Frage der biologischen
Voraussetzungen als der Konditionierung war. Frasier hatte Farrokh erklärt, die
Wahrscheinlichkeit, daß der eineiige Zwilling eines Homosexuellen ebenfalls homosexuell
sei, liege bei zweiundfünfzig Prozent. Sein Freund und Kollege, Dr. Macfarlane,
hatte ihn außerdem davon überzeugt, daß Homosexualität etwas Unabänderliches war.
(»Wenn Homosexualität ein erlerntes Verhalten ist, wie kommt es dann, daß man es
nicht abtrainieren kann?« hatte Mac argumentiert.)
Doch im Grunde machte
Dr. Daruwalla nicht die plötzliche Erkenntnis zu schaffen, daß John D. vermutlich
ebenfalls homosexuell war, sondern die vielen Jahre, in denen John D. so zurückgezogen
und abgeschottet in der Schweiz gelebt hatte. Letztlich war wohl doch Neville und
nicht Danny der Vater der Zwillinge! Und was sagt das über mich aus, daß John D.
mir das verschwiegen hat? überlegte der Doktor.
Instinktiv drückte
Farrokh das Mädchen an sich (als wäre sie sein geliebter John D.). Später wurde
ihm klar, daß sich Madhu nur so verhielt, wie man es ihr beigebracht hatte: Sie
erwiderte seine Umarmung, aber auf unpassende, sich anbiedernde Weise. Das schockierte
ihn, und er wich abrupt zurück, als sie ihn auf den Hals zu küssen begann.
»Nein, bitte nicht…«,
begann er.
Da wandte sich der
Missionar an ihn. Der Elefantenjunge hatte Martin Mills mit seiner Begeisterung
angesteckt. »Sehen Sie ihn sich an! Wetten, er würde über die Tragfläche laufen,
wenn wir ihm sagen würden, daß es ungefährlich ist?!« sagte er.
»Ja, darauf würde
ich auch wetten«, antwortete Dr. Daruwalla, der Madhus Gesicht nicht aus den Augen
gelassen hatte. Die Angst und die Verwirrung, die er in den Augen der Kindprostituierten
las, spiegelten seine eigenen Gefühle wider.
»Was möchten Sie
gern?« flüsterte ihm das Mädchen zu.
[732] »Nein, es ist
nicht, was du denkst… ich möchte, daß du entkommst«, sagte der Doktor. Damit konnte
sie überhaupt nichts anfangen, so daß sie auch gar nicht reagierte, sondern ihn
weiterhin unverwandt ansah voller Verwirrung, aber auch noch immer Vertrauen. An
den blutroten Lippenrändern quoll wieder die unnatürliche Röte aus ihrem Mund. Madhu
kaute schon wieder paan .
Dort, wo sie Farrokh geküßt hatte, wies sein Hals einen dunkelroten Fleck auf, als
hätte ihn ein Vampir gebissen. Er berührte die Stelle mit den Fingerspitzen, die
anschließend ganz rot waren. Der Jesuit bemerkte, wie der Doktor auf seine Hand
starrte.
»Haben Sie sich
geschnitten?« fragte Martin Mills.
»Nein, alles in
Ordnung«, antwortete Dr. Daruwalla, aber das stimmte nicht. Farrokh mußte sich eingestehen,
daß er sogar noch weniger über die sinnliche Begierde wußte als der künftige Priester.
Madhu, die seine
Verwirrung wahrscheinlich spürte, drückte sich wieder an seine Brust. Und wieder
fragte sie ihn flüsternd: »Was möchten Sie gern?« Der Doktor war entsetzt, als ihm
klar wurde, daß für Madhu solche Fragen offenbar normal waren.
»Ich möchte, daß
du dich wie ein Kind verhältst, weil du im Grunde ein Kind bist«, erklärte Farrokh
dem Mädchen. »Bitte, magst du nicht versuchen, ein Kind zu sein?« In Madhus Lächeln
lag ein solcher Eifer, daß der Doktor einen Augenblick lang glaubte, das Mädchen
hätte ihn verstanden. Ganz wie ein Kind ließ sie ihre Finger über seinen Oberschenkel
krabbeln; dann, ganz anders als ein Kind, preßte sie ihre kleine Handfläche fest
auf Dr. Daruwallas Penis. Sie hatte nicht danach getastet, sondern hatte genau gewußt,
wo er sich befand. Durch den leichten Stoff seiner Hose spürte der Doktor Madhus
heiße Hand.
»Ich werde versuchen
zu tun, was Sie möchten… alles, was Sie möchten«, erklärte ihm die Kindprostituierte.
Abrupt schob Dr. Daruwalla ihre Hand weg.
[733] »Hör auf damit!«
herrschte Farrokh sie an.
»Ich möchte neben
Ganesh sitzen«, sagte das Mädchen. Farrokh bat Martin Mills, mit ihr Platz zu tauschen.
»Da ist noch was,
worüber ich nachgedacht habe«, flüsterte der Missionar dem Doktor zu. »Sie sagten,
wir hätten zwei Zimmer zum Übernachten. Nur zwei?«
»Vermutlich könnten
wir mehr bekommen…«, begann der Doktor. Seine Beine zitterten.
»Nein, nein, darauf
will ich nicht hinaus«, sagte Martin. »Ich meine, haben Sie sich vorgestellt, daß
die Kinder ein Zimmer
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