Zirkuskind
kühlen, trockenen Hände machten seinen Reißverschluß auf und spielten
an ihm herum, bis er hart war. Dhar legte beide Hände auf ihre Pobacken, die sie
auf der Stelle anspannte. Seine Unterlippe klemmte noch immer zwischen ihren Zähnen;
ihr Biß war fest genug, um ihm weh zu tun, ging aber nicht ganz so tief, als daß
er geblutet hätte. Getreulich der Anweisung, die Mr. Sethna erhalten hatte, blitzten
die Lichter kurz auf und gingen wieder aus. Mrs. Dogar ließ John D. los – sowohl
mit den Zähnen als auch mit den Händen. Als er seine Hände von ihr wegnahm, um seinen
Reißverschluß zuzumachen, verlor er den Körperkontakt zu ihr. Als die Lichter angingen,
gab es keinen Berührungspunkt mehr zwischen Dhar und Mrs. Dogar.
»Sie möchten
sich ein Bild machen? Ich werde Ihnen eines zeigen«, sagte Rahul leise. »Ich hätte
Ihnen die Lippe abbeißen können.«
»Ich habe
sowohl im Oberoi als auch im Taj eine Suite«, erklärte ihr der Schauspieler.
»Nein,
ich sage Ihnen, wo«, sagte Mrs. Dogar. »Ich sage es Ihnen beim Lunch.«
»Hier?«
fragte Dhar.
»Morgen«,
antwortete Rahul. »Ich hätte Ihnen die Nase abbeißen können, wenn ich gewollt hätte.«
»Danke
für den Tanz«, sagte John D. Als er sich von ihr abwandte, war er sich seiner Erektion
und seiner pochenden Unterlippe voller Unbehagen bewußt.
»Passen
Sie auf, daß Sie keine Stühle oder Tische umstoßen«, sagte Mrs. Dogar. »Sie sind
so groß wie ein Elefant.« Dieses Wort ›Elefant‹ – zumal aus Rahuls Mund – beeinträchtigte
John D.s Rückkehr am meisten. Während er den Speisesaal durchquerte, sah er noch
immer den trüben, rasch versickernden Schweißtropfen, spürte noch immer ihre kühlen,
trockenen Hände. Und wie sie in seinen offenen Mund geschnauft hatte, [829] während
seine Lippe nicht auskonnte… das würde er wohl nie vergessen. Er mußte daran denken,
daß die dünne blaue Ader an ihrem Hals völlig ruhig gewesen war; so als hätte sie
keinen Puls oder könnte ihren Herzschlag einfach aussetzen lassen.
Als sich
Dhar an den Tisch setzte, konnte Nancy ihn nicht ansehen. Kommissar Patel sah ihn
auch nicht an, aber nur weil er sich mehr für Mr. und Mrs. Dogar interessierte.
Die beiden stritten – Mrs. Dogar wollte sich nicht hinsetzen, Mr. Dogar wollte nicht
aufstehen –, und dabei fiel dem Detective etwas außerordentlich Einfaches, aber
Eigenartiges auf: Die beiden hatten fast den gleichen Haarschnitt. Mr. Dogar trug
sein herrlich dichtes Haar über der Stirn zu einer koketten Tolle aufgetürmt; im
Nacken war es kurz geschnitten und an den Ohren sauber gestutzt, doch über der Stirn
wölbte sich eine erstaunlich füllige und großspurig nach oben gekämmte Welle. Sein
Haar war silbergrau mit weißen Strähnen. Mrs. Dogars Haar war schwarz mit silbernen
Strähnen (vermutlich gefärbt), und sie hatte die gleiche Frisur wie ihr Mann, nur
etwas modischer. Sie verlieh ihr ein leicht spanisches Aussehen. Eine Pompadourfrisur!
Na so was! dachte Detective Patel. Inzwischen hatte Mrs. Dogar ihren Mann überredet
aufzustehen.
Mr. Sethna
würde dem Kommissar später berichten, was zwischen den Dogars gesprochen worden
war, aber der konnte es sich ohnehin denken. Mrs. Dogar hatte ihrem Mann vorgeworfen,
daß er bereits zuviel Champagner geschlürft hatte, und klargestellt, daß sie seine
Trunkenheit keine Minute länger dulden würde. Sie würden jetzt auf der Stelle nach
Hause fahren, wo ihnen das Personal einen Mitternachtsimbiß zubereiten konnte und
Mr. Dogar sie mit seinem unbesonnenen Verhalten zumindest nicht in aller Öffentlichkeit
blamieren würde.
»Sie brechen
schon auf!« bemerkte Dr. Daruwalla. »Was ist passiert? Hast du sie unruhig gemacht?«
fragte der Drehbuchautor den Schauspieler.
[830] Dhar
trank einen Schluck Champagner, der ihm auf der Lippe brannte. Schweiß perlte über
sein Gesicht – schließlich hatte er den ganzen Abend getanzt –, und seine Hände
zitterten merklich; alle sahen, wie er sein Champagnerglas gegen ein Wasserglas
austauschte. Doch selbst ein Schluck Wasser ließ ihn zusammenzucken. Nancy hatte
sich anfangs zwingen müssen, ihn anzusehen; jetzt konnte sie den Blick nicht mehr
von ihm abwenden.
Der Kommissar
dachte noch immer über die Haarschnitte nach. Dem alten Mr. Dogar verlieh die Pompadourfrisur
etwas Feminines, bei seiner Frau hingegen erweckte der gleiche Haarschnitt einen
maskulinen Eindruck. Der Detective kam zu dem Ergebnis, daß Mrs. Dogar einem
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