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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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aus der Ers­ten Zeit mit der größt­mög­li­chen Au­then­ti­zi­tät auf­ge­führt wur­den, die un­ter­ge­hen­de Son­ne, die mit ih­ren letz­ten Licht­strah­len den wei­ßen Sand der Strän­de in der Un­ter­stadt um­spiel­te, und das sanf­te Bre­chen der Wel­len des G’rdel­lia­ni­schen Meers. Tes­sa ließ al­le die­se Ein­drücke auf sich wir­ken, und sie ver­lieb­te sich in die­se zau­ber­haf­te Stadt am Meer. Sie konn­te es sich kaum vor­stel­len, die­sen Ort je­mals frei­wil­lig zu ver­las­sen. Aber in ihr steck­te noch ein an­de­rer Teil ih­res We­sens, der sich mehr auf den Mann kon­zen­trier­te, der ihr all die­se Wun­der und pracht­vol­len Din­ge na­he­brach­te. Der Ge­dan­ke dar­an, ihn zu ver­lie­ren, war ihr so un­an­ge­nehm, daß er ihr schon fast wie­der ge­fähr­lich wur­de. Ei­ne große Welt war­te­te dar­auf, von Tes­sa ge­se­hen, ge­fühlt, ge­schmeckt und ge­ro­chen zu wer­den. Das woll­te sie kei­nes­falls al­lein tun, denn sie war ei­ne so ent­setz­lich lan­ge Zeit al­lein ge­we­sen.
     
    An­de­re Ge­füh­le ström­ten in Va­rians Be­wußt­sein. Auch er war lan­ge Zeit al­lein ge­we­sen, aber in ei­nem an­de­ren Sinn, als dies für Tes­sa galt. Va­ri­an hat­te sich aus frei­en Stücken zu ei­nem Le­ben in Ein­sam­keit ent­schlos­sen. An­schei­nend brauch­te er die Frei­heit, für an­de­re die Ver­ant­wor­tung zu tra­gen, da­mit er mehr über sich selbst er­fah­ren konn­te. Na­tür­lich war er be­reits auf je­dem be­kann­ten Schiffs­typ ge­fah­ren, kann­te je­den Ha­fen am Ari­dard und war fort­wäh­rend von Mann­schaf­ten aus rau­hen, er­fah­re­nen See­leu­ten um­ge­ben ge­we­sen.
    Aber als ge­nau­so wahr konn­te gel­ten, daß Va­ri­an sich in der Men­ge ein­sam fühl­te.
    Er hat­te nie die Zeit und die Mü­he auf sich ge­nom­men, sei­ne Ka­me­ra­den nä­her ken­nen­zu­ler­nen, in all den Jah­ren nicht. Der ein­zi­ge Freund, den Va­ri­an je ge­habt hat­te, war der al­te Fu­rio­so ge­we­sen, und die­se Be­zie­hung war eher aus ei­ner Un­ver­meid­lich­keit er­wach­sen als aus ei­nem ech­ten Be­dürf­nis. Va­ri­an und der al­te Mann hat­ten sich mit der Zeit ein­fach an die Ge­sell­schaft des an­de­ren ge­wöhnt.
    Die Frau­en ka­men in Va­rians Le­ben nur als ei­ne end­lo­se Rei­he von kur­z­en Ver­bin­dun­gen vor. Ih­re Ge­sich­ter und ih­re Kör­per exis­tier­ten in Va­rians Er­in­ne­rung nur noch als blas­se Ge­bil­de, und er konn­te sich ge­ra­de noch an den einen oder an­de­ren Na­men er­in­nern. Nicht et­wa, daß Va­ri­an die Frau­en nur be­nutzt hät­te – je­den­falls war ihm das nicht be­wußt ge­wor­den –, viel­mehr schie­nen sie ihn be­nutzt zu ha­ben. Nie war in die­sen Ver­bin­dun­gen das Wort Lie­be ge­fal­len (au­ßer in der schwit­zi­gen, trieb­haf­ten, nächt­li­chen Be­gier­de, „es“ zu ma­chen), bei kei­ner der Frau­en. Im­mer war es so ge­we­sen, daß bei­de, so­wohl die Frau­en als auch Va­ri­an, ge­wußt zu ha­ben schie­nen, daß sie bald auf ver­schie­de­nen Schif­fen wei­ter­se­geln und sich wahr­schein­lich nie wie­der­se­hen wür­den.
    Wenn Va­ri­an sich die Zeit nahm, an die­se Be­zie­hun­gen zu­rück­zu­den­ken, konn­te er sie des­halb im­mer ra­tio­nal er­klä­ren: Er hat­te eben ein­fach nie die er­for­der­li­che Zeit op­fern kön­nen, um je­man­den wirk­lich ken­nen­zu­ler­nen – ihm war es wich­ti­ger, die Zeit erst ein­mal da­mit zu ver­brin­gen, sich selbst ken­nen­zu­ler­nen.
    Aber bei Tes­sa war al­les – an­ders? – ja, ge­nau, an­ders. Zwei Ta­ge ver­brach­te er mit ihr in Eleu­syn­nia. Zwei vol­le Ta­ge, je­de Stun­de je­den Ta­ges. Und je­der Nacht. Trotz­dem fehl­te da­bei die ver­trau­te Be­gier­de, das An­schwel­len der kör­per­li­chen Lust, die re­gel­mä­ßig den Ver­stand zu über­de­cken schi­en. Und es fehl­te die un­aus­ge­spro­che­ne Zu­stim­mung von bei­den Sei­ten, im Dun­keln nur die kör­per­li­chen Tei­le rasch zu ver­ei­nen und die See­len ab­seits ste­hen zu las­sen.
    Nein, mit Tes­sa konn­te Va­ri­an sich über sehr vie­le Din­ge un­ter­hal­ten. Er frag­te sie über sich, er er­zähl­te von sei­nem

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