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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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Sil­ber­pelz warf den Kopf zu­rück und lach­te. „Nein, ver­steht ihr, klar, die Bies­ter sind groß und schnell und ha­ben im­mer Hun­ger, aber gleich­zei­tig sind sie gotts­er­bärm­lich dumm! Die kann man mit Tricks bluf­fen, auf die nicht mal ei­ne Hän­ge­klaue her­ein­fal­len wür­de. Tat­säch­lich ha­be ich ei­nes die­ser großen Bies­ter in ei­ner selbst­ge­bau­ten Fal­le ge­fan­gen und sei­nen Kopf ei­nem Kö­nig im Nor­den von Scor­pin­ni­an ge­bracht. Er nann­te sich selbst wirk­lich und wahr­haf­tig Ri­chard III. Ein ko­mi­scher klei­ner Bur­sche war das, mit ei­nem ge­lähm­ten Arm, aber ge­mein­ge­fähr­lich wie ei­ne Kat­ze! Hab’ ihm den Schä­del von dem Rie­sen­biest vor die Fü­ße ge­legt und bin wie­der ab­ge­zo­gen. Das war da­mals, als Raim und ich bei ei­ner Ex­pe­di­ti­on ins Son­nen­lo­se Meer zu­sam­men­ka­men. The Pe­quod hieß un­ser Schiff – hat schon mal wer da­von ge­hört? Nein, schät­ze, das habt ihr nicht; war je­den­falls ’n schmu­cker Kas­ten. Der Ka­pi­tän war ein Wahn­sin­ni­ger na­mens Ahab. Raim leg­te sich mit ei­nem der Ka­no­nie­re an Bord an – ein Rie­se, von oben bis un­ten tä­to­wiert, sein Na­me ist ja egal –, und die bei­den ha­ben sich ge­gen­sei­tig ’n paar neue Bil­der­chen in die Haut ge­stanzt, nicht wahr, mein Freund?“
    Wie­der lach­te der Al­te und be­deu­te­te dem klei­nen, dunklen Raim, die Mes­ser­sti­che auf sei­ner dunklen Brust zu zei­gen. Nach ei­ner an­er­ken­nen­den Run­de von Ooohs und Aaahs fuhr der al­te Mann mit sei­ner Ge­schich­te fort: ei­ne nicht en­den wol­len­de, aus­ge­las­se­ne Räu­ber­pis­to­le zur See. Va­ri­an hör­te ge­spannt zu, ob­wohl er ja selbst zur See ge­fah­ren war.
    Va­ri­an hör­te schon seit Jah­ren sol­che See­manns­garn-Ge­schich­ten. Nur wenn man nicht um die Welt se­gel­te oder häu­fi­ger die Was­ser­lö­cher freund­li­cher No­ma­den auf­such­te, blieb man von sol­chen Ge­schich­ten ver­schont. Aber bei die­sem Mann hier war al­les et­was an­ders – sei­ne Vor­trags­kunst, sein Er­zähl­stil und vor al­lem sei­ne gan­ze Er­schei­nung. Er sah wirk­lich so aus, als hät­te er all das er­lebt, wo­von er er­zähl­te. Va­rians of­fe­nes Au­ge für De­tails be­merk­te wohl die schwe­ren, schwie­li­gen Hän­de, die Cha­rak­ter­zü­ge in sei­nem Ge­sicht, die jun­gen, leb­haf­ten Au­gen und die großen Mus­kel­pa­ke­te an Schul­tern und Nacken. Die­ser Al­te war ein Mann der Tat und der Er­fah­rung. Sein Ta­lent zum Er­zäh­len war nur ei­ne far­bi­ge, zu­sätz­li­che Ei­gen­schaft, ein wei­te­rer An­zie­hungs­punkt.
    „Was ist los?“ frag­te Tes­sa und streck­te die Hand aus, um Va­rians Är­mel zu be­rüh­ren.
    „Och, gar nichts. Ich ha­be nur den Al­ten be­ob­ach­tet und ihm et­was zu­ge­hört …“
    Tes­sa lach­te und trank aus ih­rem Glas. „Du glaubst das doch nicht et­wa, oder?“
    „Nein, nicht al­les. Ich glau­be nie al­les, egal wer mir was er­zählt.“
    „Aber man­che Sa­chen doch, oder?“
    „Na­tür­lich.“ Va­ri­an zeig­te auf den al­ten Mann. „Sieh ihn dir nur mal an. Ich mei­ne, sieh ihn dir mal rich­tig an. Er ist kein Auf­schnei­der. Er ist wirk­lich dort ge­we­sen – wo im­mer das auch ge­we­sen sein mag. Wirkt er nicht wie Ques’Ryad selbst? Ihn um­gibt der Ge­ruch und die Aus­strah­lung des Aben­teu­ers – und auch der Ge­fahr.“
    „Va­ri­an, lang­sam mei­ne ich, du glaubst ihm doch!“ Tes­sa lä­chel­te ihn pro­vo­zie­rend und vor­wurfs­voll an.
    „Er ist ei­ne in­ter­essan­te Per­sön­lich­keit, das kannst du nicht ab­strei­ten“, sag­te Va­ri­an und sah wie­der zu dem Tisch hin­über, wo die Ge­schich­te fort­ge­setzt wur­de.
    „… man­che be­haup­ten, es sei­en Go­lems ge­we­sen, aber höchst­wahr­schein­lich wa­ren es gar kei­ne le­ben­di­gen We­sen“, sag­te der Al­te ge­ra­de. Sei­ne Au­gen glit­ten un­heil­voll in ih­ren Höh­len vor und zu­rück. „Bei al­lem, was mir hei­lig ist, es wa­ren Ro­bo­ter!“
    Je­mand in der Men­ge lach­te los, und rasch folg­ten das schal­len­de Gröh­len und die zwei­feln­den Äu­ße­run­gen der an­de­ren. Va­ri­an da­ge­gen spür­te, wie sich al­les

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