Zitadelle des Wächters
in ihm beim Klang dieses Wortes verkrampfte.
„Ihr glaubt mir also nicht! Wie soll ich es euch beweisen? Ich weiß, daß es Roboter gewesen sein könnten, denn ich selbst habe einen gesehen!“
Das Gelächter steigerte sich noch, und die Kommentare wurden lauter. Die Menge glaubte, der Alte wolle sie jetzt mit einer neuen Rolle foppen, indem er vom aufschneiderischen Geschichtenerzähler zum Clown oder Possenreißer überwechselte.
Alle lachten, nur Varian nicht. Unvermittelt war er in Gedanken wieder an Bord der Courtesan, damals, als das … das Ding seine Kleider zurückgezogen hatte und eine Bernsteinglas-Brust präsentierte, das Flimmern der aufgedruckten Stromkreise und LEDs.
„Nein, es stimmt, wenn ich es euch doch sage!“ rief der Alte. „Ihr könnt Raim hier fragen. Er hat ihn auch zu Gesicht bekommen!“
Raim nickte ruhig.
„Ich kehrte gerade aus der Wildnis nördlich von Shudrapur Dominion zurück. Raim war auch dabei, und wir suchten nach Stücken aus der Ersten Zeit für einen Kaufmann in Borat. Wir hatten bis dahin noch nichts gefunden, als wir an einer Grenzsiedlung vorbeikamen – etwa fünfhundert Kas von Babir gelegen –, und wir kamen mit ’n paar Dorfbewohnern ins Gespräch. Man lernt es mit der Zeit, den Dörflern aufs Maul zu gucken. Die können vielleicht nicht so schön erzählen wie wir. Aber es ergibt meistens einiges an Sinn, wenn sie den Mund aufmachen. Und die haben kein Interesse daran, jemanden zu beeindrucken. Will damit sagen, die lügen nicht – haben einfach keinen Grund dazu.“
Der Mann im Silberpelz hielt inne, um aus seinem sehr großen Glas zu trinken. Varian konnte die Aufregung und die Angst spüren, die in der Luft hingen. Und er spürte die Erwartungen aller Zuhörer, was diese Geschichte anging. Tessa berührte Varians Handgelenk, und er zuckte zusammen.
„Na, jedenfalls kamen wir in dieses Grenzkaff, und einer von den Trappern sagte mir, ein Mönch oder so was Ähnliches sei durch den Ort gekommen und hätte nach mir gefragt! Na, hab’ ich mir gedacht, das ist ja vielleicht ’n Ding – denn dort draußen gibt es kaum einen, der weiß, daß ich dort herumspaziere oder was ich treibe. Und ganz sicher gibt es keine Mönche, die mich kennen. Ich bin nicht gerade sonderlich religiös veranlagt.“ Er hielt inne, richtete den Blick nach oben und machte nachlässig das Sternzeichen auf seiner Brust. Alle lachten, und der Alte wartete, bis sich das Gelächter gelegt hatte, bevor er mit seiner Geschichte fortfuhr.
„Ein paar Tage sind ins Land gezogen, und Raim und ich haben es uns gutgehen lassen, gut gefuttert und so weiter. Ich horche so’n bißchen herum und kriege mit, daß der Bursche, der mich sucht, Cartor Filius heißt. Er sollte angeblich ein Bote von meinem Brötchengeber Marduk, dem Salasan von Borat, sein. Na, da war ich mehr als überrascht. Wir zwei halten uns Tausende Kas von Avista auf – so gut wie unmöglich, einen dort ausfindig zu machen –, und Marduk sollte mir eine Nachricht geschickt haben? Verrückt, nicht wahr? Also habe ich mir gesagt, warte mal in dem Dorf eine Weile, vielleicht kreuzt der Bursche ja wieder auf. Und eines ist mal klar wie dicke Tinte – ich war neugierig, was der Bursche mir zu sagen hatte.“
Varian hörte jetzt der Geschichte nur noch mit einem Ohr zu. Er wußte aber, daß der Alte nicht log. Das konnte kein Zufall sein: Kartaphilos – Cartor Filius. Nein, das mußte der gleiche Mann gewesen sein, das gleiche Ding. Was hatte das nur zu bedeuten? Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Varian, daß er die Kontrolle über den Lauf der Dinge verlor, daß er vielleicht zum Spielball von Mächten geworden war, die größer waren, als er das begreifen konnte.
„… und es ist Nacht, versteht ihr? Raim pennt, und ich
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