Zitadelle des Wächters
erwählst, so kann ich dir die politische Herrschaft über die ganze Welt schenken. Frag nicht, wieso mir das möglich ist, glaube mir einfach, wenn ich es dir sage. Ist doch ganz einfach, oder? Wähle mich, und du bist der Herr der Welt!“
„Aber das ist doch nicht möglich … Ihr …“
„Ich meine es ernst“, sagte Hera mit einer Stimme, die ihn wie ein Schwert durchdrang. Sie strahlte eine Autorität und einen Stolz aus, wie dies nur bei jemandem der Fall sein konnte, der an die Macht und ihren Gebrauch gewöhnt war. Aus irgendeinem Grund, den er sich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht erklären konnte, glaubte Varian ihr.
„Ich muß darüber nachdenken“, sagte er.
„Natürlich.“ Hera lächelte wissend und kehrte in die Bäume zurück.
Bevor er ihr folgen konnte, um festzustellen, wie sie ihren geheimnisvollen Abgang bewerkstelligte, ertönte ein weiteres Geräusch hinter ihm. Jemand rief seinen Namen.
Er drehte sich um und war eigentlich kaum noch überrascht, Athene vor sich zu sehen, die dunkle, sinnliche Athene. Ganz nahe stand sie bei ihm. Ein Bein war nackt aus einem Schlitz im Gewand herausgetreten und die Hüften waren in einem aufreizenden Winkel gebogen.
„Ich habe dir ebenfalls ein Geschäft vorzuschlagen“, sagte sie.
„Komischerweise bin ich kaum überrascht.“
Athene lachte. Es klang wie eine hypnotisierende, aber auch außerordentlich wohlgefällige Melodie. „Nein, Varian, nicht, was du vermutest.“
„Dann fangt an: Was bekomme ich, wenn ich Euch erwähle?“
„Ganz einfach: Du bekommst das, wofür du hiergekommen bist, das Geheimnis der Zitadelle – das Wissen um den Wächter und die wahre Geschichte der Ersten Zeit.“
Sein Herz tat einen gewaltigen Sprung: eine physische Reaktion, die genau den Aufprall dieser Worte auf seinen Verstand wiedergab. Woher konnte sie wissen, was er wirklich wollte? Und wie konnte sie es ihm verschaffen?
„Meine Macht, dir das zu geben, was du willst, steht außerhalb jeder Diskussion“, sagte sie, als könne sie seine Gedanken lesen.
„Ich glaube, so etwas Ähnliches habe ich irgendwo schon einmal gehört.“
„Trotzdem mußt du dich entscheiden.“
„Ich werde erst über Euer Angebot nachdenken, falls es Euch nichts ausmacht.“
Athene lächelte und kehrte in den Wald zurück, wo sie sich bald mit den bunten Farben der Bäume vermischte. Im Nu war sie verschwunden.
Er starrte immer noch auf die Stelle, wo sie verschwunden war, als er erneut seinen Namen hörte.
Diesmal drehte Varian sich langsam um und hatte schon erwartet, ein paar Schritte von ihm entfernt die liebreizende Aphrodite zu sehen, bevor er sie tatsächlich erblickte.
„Ich habe Euch schon erwartet“, sagte er und lächelte sardonisch.
„Wirklich?“
„Laßt uns nicht viel Federlesens machen und rasch zur Sache kommen: Falls ich mich für Euch entscheide – was bekomme ich dafür?“
Aphrodite kicherte. „Du bist ziemlich pragmatisch, nicht wahr?“
„Wenn eine Situation das erfordert. Ich komme mir vor, als würde ich an irgendeinem riesigen Spiel teilnehmen. Also habe ich mir gedacht: Versuch doch mal herauszufinden, worum es hier geht.“
Aphrodite lächelte noch immer und maß ihn dabei mit ihren Blicken. „Was haben die anderen geboten? Das Übliche? Reichtum? Macht?“
„Es variierte leicht“, sagte Varian. „Die erste versprach mir eine Kombination von beidem, die zweite Wissen und Erkenntnis.“
„Wissen! Eine ernst zu nehmende Gegnerin“, sagte Aphrodite.
Varian beobachtete sie. „Im Vergleich wozu?“ fragte er.
Aphrodite zupfte an einer Öse am Halsteil ihres Gewands.
„Dazu“, sagte sie, und das Gewand fiel rauschend nach unten. Nackt stand sie vor ihm – für seine Begriffe
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