Zitadelle des Wächters
Explosion machte alle einen Augenblick lang blind. Das Geräusch von zischenden, erkaltenden Metallteilen erfüllte das Zimmer. Als die dicke Dampfwolke sich verzogen hatte, sahen die Gefährten, wie Kartaphilos über den glimmenden Überresten des Homologs stand. Der Alte trat einen Schritt zurück, schloß seinen Unterkiefer langsam und wandte sich dann den Menschen zu.
„Verzeiht mir, aber der Wächter ließ mir keine andere Wahl“, sagte er.
„Wieso? Was hast du getan?“ fragte Varian.
Kartaphilos nickte bescheiden und lächelte. „Eigentlich bin ich ein Kampfroboter“, sagte er. „Ein sehr ausgeklügeltes Modell. Alle Klasse-VI-Roboter sind mit dem Zerstörungsstrahl ausgerüstet. Beim Nahkampf ist der sehr nützlich. Obwohl alle Klasse-VI-Roboter unter dem Kommando des Wächters stehen, wurde den Kampfrobotern das ‚Privileg’ gewährt, in gewissen Situationen selbständig zu denken, zum Beispiel, wenn sich das im Kampfgetümmel als notwendig erweisen sollte. Was Energie und Kampfstärke betrifft, so bin ich weitaus besser ausgestattet als der euch bekannte Homolog des Wächters. Kampfroboter sind in der Lage, sich selbsttätig wieder instand zu setzen, und sind resistent gegen Wetter, Strahlung und Gewehrkugeln. Das eben war, wie ihr sagen würdet, ein ‚Kinderspiel’.“
„Das habe ich eigentlich nicht gemeint“, sagte Varian. „Der Wächter hat keine … Kontrolle mehr über dich … Wie konnte das geschehen?“
Kartaphilos lächelte. „Genauso ist es. Vor ungezählten Jahren wurde ich ausgeschickt, Entsatztruppen zu suchen. Damals wurde die Zitadelle gerade belagert. Ich wurde von einer Riken-Angriffswaffe beschädigt. Nachdem mir die Flucht gelungen war und der Eigenreparaturmechanismus seine Arbeit getan hatte, stellte ich fest, daß meine Befehlsempfangszentrale nur noch auf einem sogenannten ‚offenen Level’ funktionierte. Das heißt, ich bekam durchaus noch die Befehle des Wächters herein, aber er konnte in keiner Weise mehr meine Handlungen diktieren.“
„Ich blicke immer noch nicht richtig durch“, sagte Stoor. „Du bist doch auf Grund des Leitstrahls zurückgekommen … Warum?“
Kartaphilos richtete seine Augen auf den alten Mann, schwieg einen Moment und lächelte. „Ich kehrte zurück, weil ich zu jenem Zeitpunkt annahm, immer noch derselben Intelligenz zu dienen, die mich damals ausgesandt hatte.“
„Was meinst du damit: ‚derselben Intelligenz’?“ sagte Tessa. Sie warf einen Blick auf Varian und fragte sich, ob er begriffen hatte, was der merkwürdige Roboter eigentlich sagen wollte.
Kartaphilos stieg über das Wrack des Homologs hinweg, lief quer durch das Zimmer und ließ sich schließlich auf einem Diwan nieder. Er beugte sich nach vorn, stützte die Arme auf die Oberschenkel und machte einen erschöpften Eindruck. Das wirkte so unglaublich menschlich, dachte Tessa. Kaum zu glauben, daß die Erbauer der Zitadelle und des Wächters auch noch einen Automaten konstruieren konnten, der sich so vollständig menschlich benahm.
„Was ich damit sagen will?“ sagte der Roboter spöttisch. „Ich hätte eigentlich gedacht, ihr wäret mittlerweile von selbst darauf gekommen …“
Stoor trat rasch auf ihn zu. „ Wo rauf gekommen? Wovon redest du denn?“
„Mir ist das sofort aufgefallen, als ich die Zitadelle betrat“, sagte Kartaphilos. „Wißt ihr es denn noch immer nicht? Der Wächter ist verrückt geworden.“
Elf
„Ich glaube, wir sollten uns jetzt einmal ausführlicher unterhalten“, sagte Varian.
Eine kurze Stille trat ein, in der die Menschen sich gegenseitig anblickten. Alle trugen den gleichen Gesichtsausdruck:
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