ZITRONENLIMONADE (German Edition)
herum laufen!). Nur sahen sie nicht sonderlich
glücklich aus. Aber ich Egoistin sah es natürlich nur von meiner Warte: Die
konnten sich alle bewegen und ich nicht. Folglich hatten sie keinen Grund zu
schlechter Laune. Dass sie vielleicht dennoch schwerer krank waren als ich, kam
mir gar nicht in den Sinn. Typisches Zeichen für die grenzenlose
Selbstbezogenheit, die man als Kranker entwickeln kann.
Es gab einige, die mich im Vorbeilaufen
ungeniert anstarrten. Am liebsten hätte ich bei meinem Bett den Rückwärtsgang
eingelegt und wäre schnellstmöglich wieder auf die Intensiv umgekehrt. Wie arm
dran muss man sein, um eine bloße Verlegung innerhalb eines Krankenhauses auf eine
andere Station als beängstigend zu empfinden, sinnierte ich, als wir auf einen
Aufzug zusteuerten. Ich sollte mich stattdessen über den „Fortschritt“ freuen.
Aber von Fortschritt konnte aus meiner Sicht nicht die Rede sein: Ich war immer
noch halbseitig gelähmt und ein Pflegefall, der nicht mal alleine am Bettrand
sitzen konnte!
Meine beiden Bettschieberinnen entpuppten
sich als äußerst positive Überraschung. Sie waren beide etwa in meinem Alter
und unterhielten sich richtig mit mir, nicht untereinander! Sie stellten mir
Fragen, hörten aufmerksam zu, wenn ich langsam und teilweise stotternd
antwortete und waren dennoch freundlich und lustig. Sie errieten auch mühelos
meine derzeitige Gemütsverfassung.
"Ich bin Schwester Rita“, stellte
sich die etwas Größere mit den kurzen roten Haaren vor. "Und das ist Mirjana. Wir holen Sie jetzt
zu uns. Sie werden sicher froh sein, nach so langer Zeit auf der Intensiv
wieder mal was anderes zu sehen. Oder wären Sie lieber dort geblieben?“ Sie
nickten zustimmend, als ich ihnen meine zwiespältigen Gefühle erklärte.
"Nach allem, was mit Ihnen
passiert ist, ist es vollkommen verständlich, dass Ihnen jegliche Veränderung
erst mal Angst bereitet. Aber keine Sorge, bei uns auf der Station geht es eher
entspannt zu. Wir fressen keine Patienten, wenn die uns nicht grundlos herum
scheuchen!“
Ich versuchte, klar zu machen, dass ich
niemanden scheuchen wolle, aber leider nur wenig selbst tun könnte. Mirjana,
eine dunkelhaarige zarte Schönheit, lächelte verständnisvoll. „Wir werden Ihnen
natürlich bei allem helfen, was Sie allein nicht schaffen. Machen Sie sich
keine Sorgen, Frau Salten, das bekommen wir schon hin!“
Rita war die Resolutere von beiden. Wie
ich kurz darauf erfuhr, war sie die Stationsschwester. Sie war tüchtig und ließ
sich kein X für ein U vormachen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie
unverschämte Patienten in ihre Schranken wies. Ich kam in ein schönes helles
Zimmer mit zartgelb gestrichener Wand, einem Tisch mit zwei Stühlen, einem
riesengroßen Fenster, durch welches ich endlich den blauen Himmel richtig sehen
konnte - und ich war allein in diesem Zimmer.
„ Wie Sie sehen, Frau Salten, haben Sie
das Zimmer erst mal ganz für sich. Das kann sich zwar in der kommenden Woche
ändern, aber bis dahin haben Sie hier drin das Sagen!“ erklärte mir Schwester Rita fröhlich.
„Oh prima,“ freute ich mich. „Könnten Sie mir
dann bitte gleich mal das Fenster kippen?“ Ich bin ein Frischluftfanatiker und
hasse nichts mehr als abgestandene Luft. Doch, noch mehr hasse ich Zimmergenossen,
die es immer heiß und stickig haben wollen! Glücklicherweise waren Mark und ich
uns da völlig einig. Wir schliefen nachts lieber zu kalt als zu warm. Die
Betonung hierbei liegt auf "schlafen", bei anderen Freizeitbeschäftigungen
im Schlafzimmer hatten auch wir es gerne etwas wärmer… Eine kurze Beziehung von
mir scheiterte vor Jahren daran, dass der Typ nur bei geschlossenen Fenstern
mit aufgedrehter Heizung unter einer dicken Daunendecke schlafen konnte. Wir
haben nie eine ganze Nacht zusammen in einem Bett verbracht, weil ich sonst dem
Erstickungstod erlegen wäre.
Schwester Mirjana, eine attraktive
schlanke Kroatin mit langen dunklen Locken, kümmerte sich besonders liebevoll
um mich, seit sie herausgefunden hatte, dass wir beide gleichaltrig waren und im
Mai Geburtstag hatten. Nachdem ich an diesem Tag meine Stehübungen beendet hatte
und auch Sabine mit Dennis wieder nach Hause gegangen war, lag ich total
erschöpft in meinem Bett und fragte mich, ob ich heute Abend noch in der Lage
wäre, mich mit Mark zu unterhalten oder ob ich unfreiwillig im Tiefschlaf
liegen würde. Aber ich wollte ihn sehen, ich brauchte ihn und die
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