ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Max hatte ganz und gar keinen unglücklichen Eindruck gemacht,
vielmehr war er sehr stolz auf seine kleine Tochter gewesen.
Um Unstimmigkeiten zu vermeiden, hatte ich mir
diesbezügliche Entgegnungen jedoch verkniffen, Mark stattdessen einfach ein
Glas Wein angeboten und das Thema gewechselt. Aber gerade Max und Lauren
gehörten zu denjenigen seltenen Freundesexemplaren, die mir sehr bald nach
meiner Operation einen wunderbar mitfühlenden Brief geschrieben hatten und mir
jede erdenkliche Hilfe anboten.
Hier, unter der Dusche wurde mir
plötzlich glasklar, dass ich trotz allem, was ich jetzt gerade durchmachte,
froh sein konnte, noch am Leben zu sein. Was hätte ich denn vorzuweisen gehabt,
wenn ich den Löffel vorzeitig abgegeben hätte? Vor meinem geistigen Auge – es
ist einfach lästig, wenn man eine derart überschießende Vorstellungskraft hat - erschien Petrus vor
mir, wie er mit strengem Blick und einem Klemmbrett an der Himmelspforte stand
und meinen Namen auf der Liste abhakte, als ich vor ihn trat.
„ Christina Salten, dreißig. Soso,
Volljuristin und Öffentlichkeitssprecherin. Sie überzeugen also den Rest der Welt mit
raffinierten Werbestrategien und Seminaren in Fünfsternehotels, dass Ihre Firma
in jeder Hinsicht ein absolutes Topunternehmen mit Spitzenprodukten ist? Sind
Sie davon aus tiefstem Herzen überzeugt? Und was haben Sie sonst noch an
bemerkenswerten Leistungen vorzuweisen? Irgendwelche besonderen Begabungen,
Fähigkeiten, außergewöhnliche Taten, Nächstenliebe oder zumindest selbstlosen
Einsatz für ihre Mitmenschen?“
In meiner Vorstellung brach mir der
kalte Schweiß aus. So wie er das sagte, klang mein Leben nicht besonders
erfolgreich. Nein, ich hatte keinerlei außergewöhnliche Talente. Alles, was ich
gelernt hatte, war durch harte Arbeit erworben. Ich spielte nicht mal ein Instrument
und meine Singstimme war auch nur für den Hausgebrauch. Und ja, in meinem Job war
ich es gewohnt, meine Brötchengeber und deren Produkte optimal darzustellen,
immerhin bezahlten sie mich prima dafür, das war Überzeugung genug.
Nächstenliebe?
Ich hegte die dumpfe Vermutung, dass der
Himmelspförtner meine Liebesbeziehung zu Mark nicht darunter einordnen würde…
Einsatz für Mitmenschen? Naja, mit etwas
gutem Willen könnte man hier argumentieren, dass ich ab und an – aber wirklich
eher selten – mal stundenweise die Kinder von Sabine gehütet hatte. Oder die
Wirtschaft ankurbelte und damit Arbeitsplätze sicherte, indem ich in meiner
kargen Freizeit exzessive Shoppingtouren unternahm und mir von meinem hart
erarbeiteten Geld etwas Schönes gönnte, sozusagen, um mich selber zu belohnen.
Letzteres dürfte die positive Bilanz wieder verhageln! Aber sonst sah es mit
meinem Engagement für andere sehr mau aus…
Mit vernichtendem Blick auf meine
unnütze Person strich Petrus meinen Namen energisch durch.
„Aufnahme abgelehnt. Kommen Sie wieder,
wenn Sie irgendetwas Sinnvolles geleistet haben.“
So, jetzt wusste ich, warum ich die
Blutung und die Operation überlebt hatte! Sie wollten mich da oben im Himmel
nicht haben. Ich war nicht würdig, unter deren Dach einzukehren, wenn man das
mal so abwandeln durfte. Niedergeschlagen sank ich noch mehr in mich zusammen.
Mirjana fragte besorgt, ob mein
Kreislauf in Ordnung wäre.
„Jaja, das schon, aber mir ist gerade
klar geworden, dass mein bisheriges Leben ziemlich unproduktiv und nutzlos ist,
wenn man es an Nächstenliebe, Selbstlosigkeit oder Engagement für andere
bemisst."
Ratlos zuckte ich mit meiner linken
Achsel, rechts funktionierte das noch nicht.
"Ich habe einen guten Job, viel
Geld zur Verfügung, aber ich mache in meiner Freizeit nur Dinge, auf die ich
wirklich Lust verspüre. Ich habe noch nie für einen anderen Menschen oder auch
nur ein Tier Verantwortung übernommen. Ich engagiere mich nicht ehrenamtlich,
spende nur selten Geld für gute Zwecke, weil ich misstrauisch bin, ob die
Beträge wirklich da ankommen, wo sie gebraucht werden. Und die Beziehung zu
meiner Ursprungs-Familie, soll heißen meiner Übermutter, lässt ebenfalls zu
wünschen übrig. Ich bin froh, wenn ich sie nicht so oft sehen muss. Also ein
relativ nutzloses Leben", endete
ich kläglich.
Mirjana, eine einfache Krankenschwester,
beschämte mich mit ihrer klugen Antwort, während sie mir sorgfältig das nasse
Haar auskämmte.
„So schlimm finde ich das nun auch
wieder nicht. Es gibt viele Menschen auf dieser Erde, die durch
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