ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Gewissheit,
dass er mich nach wie vor liebte. Da er beruflich bedingt die letzten beiden
Tage überhaupt nicht kommen konnte – er musste mit seinem Chef zusammen einen
Klienten der Kanzlei in Berlin aufsuchen – sehnte ich mich schrecklich nach
ihm.
In diesem Moment, es war nachmittags
gegen drei – kam Mirjana zu mir herein gehuscht und machte mir einen Vorschlag,
der mich meine Erschöpfung schlagartig vergessen ließ:
„Frau Salten, ich habe gerade Zeit – es
ist wenig los heute auf der Station - und da dachte ich mir, wenn Sie sich
kräftig genug fühlen, etwa eine halbe Stunde im Duschrollstuhl zu sitzen, dann
würde ich Sie duschen und Ihnen das Haar waschen. Danach könnten Sie dann auch
endlich mal eines Ihrer eigenen Nachthemden anziehen. Wie wäre das für
Sie?“ Ich hätte sie für dieses Angebot
küssen mögen und sagte ihr das auch! Endlich würde ich mich wieder mal frisch
und gerichtet sein, wenn mein Liebster mich besuchte! Ich war richtiggehend
aufgeregt bei der Aussicht, nach so langer Zeit duschen zu können und meine
Haare gewaschen zu bekommen. Sie waren seit der Operation noch nicht gewaschen
worden, nur einmal hatte eine Schwester mir den Kopf mit Franzbranntwein
abgerieben, um das rötliche Desinfektionsmittel, mit dem meine Haare verklebt
waren, heraus zu „waschen“. Ich gehe davon aus, dass jede Haarexpertin bei
dieser Behandlung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Zuhause trieb
ich mit meinem Haar großen Aufwand, wusch es alle zwei Tage mit einem
sündteuren Shampoo, machte Spülungen und sprühte mir vor dem Föhnen immer
Hitzeschutzsspray auf.
Aber auf der Intensivstation war ich
tatsächlich froh, dass mein Kopf in irgendeiner Art und Weise frisch gemacht
wurde, und sei es mit Franzbranntwein!
Der Einfachheit halber trug ich hier
auch immer noch die überaus schicken krankenhauseigenen OP-Hemdchen, Grundfarbe
weiß mit diversen Mustern bedruckt, welche einen nur auf der Vorderseite
wirklich bekleidet erscheinen lassen, da sie lediglich mit zwei Bändern im
Nacken befestigt werden und hinten völlig offen sind.
Und das mir, die ich morgens niemals
ungeschminkt und unfrisiert das Haus verließ. Ich liebte Klamotten und seit ich
es mir leisten konnte, kaufte ich mir neben ganz normalen Sachen wie Jeans und
T-Shirts immer mal wieder edle Designerstücke. Und in meinem Schuhschrank befanden
sich so viele Paar Schuhe in allen Ausführungen, dass man damit mühelos einen
Bazar hätte eröffnen können.
Wenn ich darüber sinnierte, konnte ich
nicht glauben, dass mein Leben bis vor zwei Wochen völlig normal verlaufen war,
während ich jetzt eine Dusche und Haarwäsche als Luxus empfand! Mirjana holte
den Duschrollstuhl und musste mich da hinein setzen.
Aber auch das war leichter gesagt als getan. Mirjana
fuhr das Kopfteil meines Bettes langsam hoch bis zur Sitzposition. Schon wurde
mir wieder schwindelig und wir warteten ein paar Minuten ab, bis das Gefühl
nachließ.
Sie half mir, meine Füße vorsichtig über den
Bettrand nach unten zu schwingen. Mein Kreislauf spielte völlig verrückt, aber
ich wollte unbedingt unter die Dusche, biss deshalb die Zähne zusammen und tat,
als ob alles völlig in Ordnung wäre, als mich Mirjana fragte, ob es bei mir
ginge.
Da ich wegen der Lähmung trotz Übungen
noch keine nennenswerte Kraft in meiner
rechten Seite hatte, konnte ich auch nicht selbstständig, also ohne Lehne, frei
sitzen, aufstehen oder stehen bleiben, barfuß schon gar nicht.
Also holte sie sich noch eine Kollegin sowie
einen Pfleger und dann hievten die mich zu dritt vom Bettrand in den
Duschrollstuhl, ohne dass ich den Boden auch nur berührte. Da „saß“ ich nun in
ziemlicher Schieflage drin. Mirjana erklärte mir, der Duschraum wäre gleich
nebenan, weswegen sie mir meinen Bademantel lediglich von vorne über Schultern
und Schoß legte. In meinem Kopf drehte sich alles, mir war übel und als sie den
Rollstuhl auf den Gang hinaus schob, fragte ich mich allen Ernstes, ob ich die
nächste Stunde ohne Kreislaufzusammenbruch überstehen würde. Aber mein Wunsch
nach Sauberkeit und Frische überwog. Ich sagte ihr keinen Ton von meiner
Kreislaufschwäche, mimte stattdessen gute Laune. Im Bad angekommen, musste mich
Mirjana im Rollstuhl immer wieder nach oben ziehen. Die Muskeln meiner rechten
Körperseite spielten nicht mit, was zur Folge hatte, dass ich total schief und
zusammen gesunken im Stuhl hockte.
Aber dennoch war die
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