ZITRONENLIMONADE (German Edition)
kommende halbe
Stunde im Bad ein enormer Aufschwung für mein Allgemeinbefinden und erstaunlicherweise
nach wenigen Minuten auch für meinen Kreislauf, der sich zunehmend stabilisierte.
Mirjana war total lieb und fürsorglich zu mir, wie eine Mutter zu ihrem Kind.
Sie stellte die Wassertemperatur sorgfältig
ein und duschte mich lang und gründlich ab. Was für eine Wohltat, endlich unter
fließend warmem Wasser gewaschen zu werden! Sie gab mir die Duschlotion und
ließ mich meinen Körper, soweit ich dazu in der Lage war, allein einseifen.
In der Zwischenzeit shampoonierte sie
mir äußerst ausgiebig die Haare, wusch sie mehrmals und trug am Ende sogar noch
eine glättende Haarkur auf, die sie extra für mich von zuhause mitgebracht hatte,
wie sie mir verriet. Dabei plauderte sie fröhlich und unbefangen mit mir, so
als wären wir beide bei einem Kaffeeklatsch. Ich erfuhr, dass sie einen
dreijährigen Sohn namens Zoltan hatte und seit fünf Jahren mit ihrem Mann,
einem Elektriker, verheiratet war. „Wir sind beide Kroaten, aber hier in
Deutschland geboren. Unsere Eltern kamen als Gastarbeiter her. Wir sehen sie
und unsere Geschwister mit deren Familien sehr häufig, das ist jedes Mal ein
großes Fest!“
Mirjana hatte – wie ich aus der
Unterhaltung schloss – eine große Gemeinsamkeit mit meiner Freundin Sabine:
Beide waren absolute Familienmenschen, gerne verheiratet und liebten ihre Kinder über
alles. Mirjana und ihr Mann wollten mindestens noch eines und sie erklärte mir:
„Ich muss mich damit beeilen, immerhin
bin ich schon dreißig, die Empfängnisfähigkeit sinkt ab Mitte Zwanzig
kontinuierlich, das gesundheitliche Risiko für Mutter und Kind steigt. Manche
Frauen kommen bereits Anfang Vierzig in die Wechseljahre. Und der Abstand zum
Brüderchen soll auch nicht zu groß sein.“
Ich geriet ins Grübeln. Von dieser
Seite hatte ich die Sache mit dem Kinderkriegen noch gar nicht gesehen.
Generell wollte ich schon Kinder haben. Aber dafür, so dachte ich bisher, hätte
ich noch viel Zeit. Es gab doch genügend Frauen, die erst Anfang Vierzig
schwanger werden, oder? An Sabine sah ich, dass Kinder wahrlich nicht immer
leicht groß zu ziehen waren. Als Babys rauben sie einem den Schlaf, später sind
sie kleine fordernde Egoisten, benehmen sich oft launisch und unmöglich,
blamieren ihre Eltern und mindern deren Lebensqualität erheblich. Eltern können
nicht mal einfach so spontan verreisen, am Wochenende ausschlafen und
faulenzen; Eltern, so hatte ich das von Sabine gelernt, sind Tag und Nacht im Dauereinsatz.
Mark und ich dagegen frönten in unseren
wenigen freien Stunden den typischen Freunde eines Double Income No Kids -Pärchens:
Wir zogen abends durch Bars, schliefen lange aus, veranstalteten
Champagnerfrühstück im Bett, fuhren übers Wochenende spontan weg oder machten
einen gemütlichen Stadtbummel. Wir trugen keine Verantwortung und mussten auf
niemanden Rücksicht nehmen.
Zudem: Was würde ich mit meinem Job
machen, wenn ich ein oder mehrere Kinder hätte?
Bei uns im Betrieb waren einige Frauen
in höheren Positionen, die gleichzeitig Mütter waren. Aber bei der vielen Zeit,
die sie in ihren Büros verbrachten, schien diese Eigenschaft unter "ferner
liefen" zu rangieren.
Sie hatten ihre Kinder in Kitas,
Internaten oder bei Kinderfrauen untergebracht. Die Chefin des Vertriebs hatte
mir mal anvertraut, ein guter Tag sei für sie, wenn sie von der Arbeit abends
in den Wendehammer ihrer Straße einfahren und sehen würde, dass die Rollläden der Kinderzimmer noch offen seien.
Dann wären ihre beiden drei - und fünfjährigen Söhne noch wach und sie konnte
sie selbst zu Bett bringen, nachdem sie sie morgens nur für zwanzig Minuten zu
Gesicht bekommen hatte. Ketzerisch hatte ich gedacht: Sollte nicht zu oft
vorkommen, da werden die Kinder doch unheimlich verwöhnt: pro Tag eine ganze
Stunde mit Mama!
Und eine Vorstandsvorsitzende hatte bei
einer Tagung im Gespräch erwähnt, sie habe eine Super-Kinderfrau, die sie
wirklich nie bei der Arbeit anrufen und stören würde, sondern mit jeder
Situation allein fertig würde.
Mir war da unwillkürlich die Vision durch den
Kopf gegangen, wie die kleine Tochter
dieser Frau bei einem Verkehrsunfall lebensgefährlich verletzt in die
Notaufnahme eingeliefert wird, die Ärzte Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen und
die effiziente Nanny hin - und her überlegt, ob sie in diesem Fall
ausnahmsweise vielleicht doch ihre Chefin
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