ZITRONENLIMONADE (German Edition)

drauf gehoben
werden und auch wieder runter, aber: Bettpfanne ade!! Wieder ein Schritt nach
vorne…Danach frühstückte ich – ebenfalls zum ersten Mal an dem kleinen Tischchen
in meinem Zimmer. Und dann war ich schon um neun, kurz nach der Visite, so
erschöpft, dass ich wieder ein Nickerchen machen musste.
     
    Karina kam kurz vor dem Mittagessen und
nahm mir das Holzpuzzle weg. Ich hatte das verdammte Ding jeden Tag mindestens
zwei- bis dreimal zusammengebaut und war darin immer geschickter geworden.
Mittlerweile brauchte ich nur noch zwanzig Minuten dafür…Ich fühlte mich heute
sehr erfolgreich, nach allem, was ich schon wieder mühsam erlernt hatte. Aber
Karina sorgte dafür, dass sich meine Euphorie binnen Sekunden in Luft auflöste:
Sie schnappte sich den Holzkreis und steckte ihn in die Tasche ihres weißen
Kittels.
    „ Das brauchen Sie jetzt nicht mehr,
ich habe hier eine neue Herausforderung für Sie, Christina“, begrüßte sie mich
fröhlich. Ungläubig starrte ich auf das Teil, welches sie mir entgegen streckte.
    „ Sie wollen mich verarschen!“ entfuhr
es mir wenig damenhaft. Sie brach in schallendes Gelächter aus.
    Vor mir auf der Bettdecke lag ein
Kinderbilderbuch. In fetten roten Buchstaben schrie es mir auf einem blauen
Hintergrund entgegen:   SO LERNE ICH MICH
SELBST ANZUZIEHEN! Was sollte das hier werden, eine Märchenstunde für Erwachsene?
    „ Soll ich jetzt vielleicht beweisen,
dass ich des Lesens mächtig bin? Ich denke, Sie sind Physiotherapeutin, keine
Logopädin?“ brummte ich böse.
    „Schlagen Sie es doch mal auf“, grinste
sie. Die Frau ist dauerfröhlich, dachte ich wütend, das kann nicht normal sein.
Das muss sie dringend behandeln lassen!
    Mit einem zornigen Ruck klappte ich das
Buch auf – und erstarrte: Die erste Seite darin bestand aus zwei grellgelben
Stoffteilen, die durch drei grasgrüne Knöpfe, jeder etwa mit zwei Zentimetern
Durchmesser und die entsprechenden Knopflöcher miteinander verbunden waren. Ich
„blätterte“ weiter. Auch die folgenden Seiten waren verschiedenfarbige
zweigeteilte und miteinander verbundene Stoffstücke.
    Jede Seite stellte eine neue
Herausforderung dar: Die Verbindungen bestanden aus Reißverschluss,
Druckknöpfen, Häkchen und Ösen und am Ende die Krönung: Drei Schuhbänder
untereinander, die zu akkuraten Schleifen gebunden waren! Das würde ich nie
können!!!
    Augenblicklich verrauchte mein Zorn und
wich einer tiefen Resignation. So tief war ich gesunken, dass mir ein solches
Buch Schauder über den Rücken trieb. Jetzt war ich so stolz auf meine
Fortschritte bei diesen vermaledeiten Holzstücken gewesen und hatte mir
eingebildet, mein rechter Arm und meine Hand würden wieder einigermaßen
funktionieren. Und nun zerstörte Karina mit einem simplen Kinderbuch diese
Illusion komplett. Sie spürte meine Mutlosigkeit.
      „ Frau Salten, auch das schaffen Sie! Ich
lasse es Ihnen da, dann können Sie damit üben. So oft sie wollen.“ Und dann
spielte sie ihren Trumpf aus: “Wenn Sie mal Kinder haben, müssen Sie mit
sämtlichen Verschlüssen klar kommen. Außerdem wollen Sie selbst wahrscheinlich
auch nicht immer Kleidung mit Klettverschlüssen tragen, oder? Dazu sind Sie
entschieden zu jung!“ Augenzwinkernd flüsterte sie im Bühnenlautstärke:   „ Denken Sie an Victoria´s Secret!“ Das hatte
man nun davon, wenn man seiner Therapeutin von seinem Shoppingausflug nach New
York alles bis ins Detail erzählte…
    Mit ein paar schnellen Griffen trennte
sie die jeweiligen Stoffstücke, öffnete mühelos Knöpfe, Reißverschluss, Haken
und Ösen, Druckknöpfe und die Schuhbänder. Ich hasste sie für ihre
Geschicklichkeit!!! Dann legte sie das Büchlein auf meinen Nachttisch. “Wir
machen heute andere Übungen, das Buch können Sie allein ausprobieren, ich lasse
es Ihnen da.“
     
    Heute war vorrangig mein Schultergelenk
dran, mit dem ich üben musste. Also rechte Schulter heben und senken, Arm
runterhängen und mit der Schulter kreisen lassen. Damit mir die Bewegungen
leichter fallen sollten, verriet mir Karina einen Trick: "Machen Sie die
Bewegungen immer synchron mit der nicht betroffenen (So heißt das in
Therapeutenjargon. Da gibt es kein gesund und krank, die Körperteile sind
betroffen oder eben nicht) Seite mit, dann funktionieren die Übungen mit der
betroffenen Seite besser."
    Tatsächlich: Obwohl sich rechte
Schulter und rechter Arm immer noch anfühlten, als seien sie mit Blei gefüllt,
ließen sie sich mit der