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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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Besuch bei mir ahnte. Sie wollte sich lediglich davon
überzeugen, dass ihre bisherige Vorgesetzte ihr nicht mehr ernsthaft gefährlich
werden könnte. Der Höflichkeit halber plauderten wir noch belangloses Zeugs,
sie erzählte mir den neuesten Firmenklatsch, dann warf sie einen Blick auf die
schwarzglänzende Rado an ihrem Handgelenk   - es war genau halb vier -   und
sprang wie erwartet auf.
    „ Tut mir leid, Christina, aber ich
muss los. Du weißt ja, die Arbeit ruft.“ Wieder zwei Luftküsschen hinter meine
Ohren, dann war sie auch schon abgerauscht.
      Keine Minute zu früh, länger hätte ich es im
Rollstuhl nicht ausgehalten, ohne zusammen zu sacken. Zur Sicherheit, falls sie
früher gekommen   wäre, saß ich bereits
eine volle Stunde, seit halb drei Uhr, darin.
     
    Nachdem ich es mir mit Hilfe zweier
Schwestern wieder in meinem Bett bequem gemacht hatte, sinnierte ich darüber
nach, wie es bei mir beruflich weiter gehen sollte. Ich glaubte nicht, dass es
mir ernsthaft gelungen war, Verena über meinen wahren Gesundheitszustand hinweg
zu täuschen. Ich formulierte alles was ich sagte, immer noch sehr langsam und
deutlich. Auch wenn ich mich anstrengte, rutschten mir manche Worte oder Silben
zweimal hintereinander heraus.
    Unverblümt gesprochen klang ich wie
jemand, der schwer von Begriff ist und aaalllleees gaaanz laangsaam uuund
üüüberdeueutlich auausspricht. Keine gute Voraussetzung für eine dynamische,
erfolgversprechende Öffentlichkeitsarbeit…Verena war ganz offensichtlich genau
zu derselben Schlussfolgerung gelangt. In ihren graublauen Augen hatte ich bei
ihrem Aufbruch ein triumphierendes Funkeln wahrgenommen!
    Andererseits musste ich gestehen, beschäftigten
mich die Belange der Firma Toskopharm und dortige gegen mich gerichtete
Intrigen augenblicklich nur sehr am Rande. Bevor ich nicht in der Lage war,
mich wieder sicher, klar, deutlich und im normalen Sprechtempo auszudrücken und
meine volle Beweglichkeit zurück erlangt hatte, bestand ohnehin keine Chance,
zu meiner bisherigen Arbeit zurück zu kehren. Aber wollte ich das überhaupt?
    Seit zwei Wochen waren einige meiner
Ansichten und Überzeugungen stark ins Wanken geraten. Prioritäten, die ich mir
vorher gesetzt hatte – wie beispielsweise eine möglichst steile Karriere zu
machen und mich dann lange oben zu halten, wurden plötzlich von völlig anderen
Wünschen wie dem, eine Familie mit Kindern zu gründen, oder mehr für andere
Menschen da zu sein, verdrängt. Wie mein Unterbewusstsein es - durch Petrus in
meiner Vision vertreten - so schön ausgedrückt hatte, war ich es gründlich
leid, Ärzte durch üppige Tagungen, kostenlose Seminare in Fünfsternehotels und
gut aufgemachten Powerpoint - Präsentationen dazu zu animieren, unsere Produkte
zu kaufen und an ihre Kollegen weiter zu empfehlen. Und das alles, nur damit
dieser Konzern noch mehr Geld scheffeln konnte. Ich wollte etwas Sinnvolles
tun, eine Arbeit haben, die mich befriedigte, weil sie anderen Menschen
wirklich etwas bringen würde. Andererseits, so gab ich mir zu bedenken, war ich
ganz und gar nicht der altruistische Typ.
      Ich könnte mir nie vorstellen, in einem
Dritte-Welt-Land als Entwicklungshelferin zu arbeiten, da hätte ich viel zu
große Angst vor ansteckenden Krankheiten, Überfällen oder tödlichen Insekten
gehabt. Mich ließ die bloße Vorstellung, auf Dauer ohne Strom und fließend
Wasser im Busch leben zu müssen, den ganzen Tag in praktischen Klamotten,
festem Schuhwerk und ungeschminkt herum zu laufen, ganz ohne Shoppingmalls oder
Straßencafés, wo man zwischendurch einen Cappuccino schlürfen konnte, zutiefst
schaudern. Außerdem musste ich trotz aller Nächstenliebe auch irgendwie meinen
Lebensunterhalt verdienen.
    Das war jetzt ein Dilemma, was auf die
Schnelle nicht zu lösen sein würde. Aber, so tröstete ich mich eingedenk der
wichtigsten Worte, die Scarlett O´Hara in   „Vom Winde verweht“ sagte: Morgen ist auch noch ein Tag.   Oma steuerte gleich noch ein "Kommt Zeit,
kommt Rat!" bei.

  Kapitel Neun
     
    Tag 15 in meinem zweiten Leben begann
zunächst wie alle anderen Tage auf Station, mit „Frühaufstehen“, d.h. wecken
gegen halb sieben, Fieber – und Blutdruckmessen. Erste Neuigkeit an diesem Tag:
    Schwester Lisa fragte mich, ob ich mich
heute mal selber am Waschbecken waschen wollte und setzte mich dazu in den
Rollstuhl. Und – nächste Premiere – ich durfte vorher auf die Toilette!   Musste zwar auf die Schüssel

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