ZITRONENLIMONADE (German Edition)
können vor Lachen. Das geschah dem eingebildeten Fatzke ja so recht. Leider
musste ich gleich zu einer Therapie und konnte deshalb nicht verfolgen, wie das
Ganze weiter ging.
Abends am Tisch war er ziemlich
kleinlaut, vor allem, als ich ihn mit scheinheiliger Miene fragte, ob er einen
schönen Tag gehabt hätte. Aber dann verblüffte er uns alle, als er mit
entwaffnender Offenheit und einem schiefen Lächeln meinte,
" Nein, der war heute absolut
daneben, aber das habe ich mir selber zuzuschreiben. Ich bin sauer und
geschockt darüber, dass mich dieser Schlaganfall getroffen hat. Und meine arme
Sara musste als Sündenbock dafür herhalten. Ich habe meine ganze Wut an ihr
ausgelassen und heute hat sie sich zum ersten Mal gewehrt. Wir wollten einen
Ausflug nach Konstanz machen und weil ich die ganze Zeit nur auf ihr herum
gehackt habe, hat sie mich einfach hier auf dem Parkplatz in meinem
eigenen Wagen auf dem Beifahrersitz
sitzen lassen und ist mit dem Zug heimgefahren." Alle am Tisch lachten bei
dieser Schilderung lauthals los. Beschämt fügt er hinzu:
"Hat verdammt lange gedauert, bis
ich allein aus dem Wagen wieder rausgekommen bin und in meinem Zimmer
war."
Von diesem Tag an war er akzeptiert und
die von den anderen Tischen sahen immer neidvoll zu uns rüber, weil wir die
Runde waren, die am öftesten und lautesten lachte, was natürlich auch mit Herrn
Klambers Talent zum Witze erzählen zusammen hing. Besonders beliebt waren dabei
Witze über Behinderte, über die amüsierten wir uns am meisten.
Beispiel: Eine Frau schiebt ihren Mann
im Rollstuhl spazieren. Da kommt eine andere Frau den beiden entgegen, sieht
den Mann im Rollstuhl, bleibt betroffen stehen und fragt die Ehefrau im
Bühnenflüsterton:
"Wie geht es ihm?" Der Mann
brüllt sie lauthals an: "GUT! WENN SIE MICH SO INDIREKT FRAGEN!"
Dieser Witz erinnerte mich fatal an
mein Erlebnis mit dem Warzenmann im Krankenhaus vor der Cafeteria. Als ich die
Story erzählte, wieherten wir alle noch lauter.
Nach einigen Tagen kannte ich vom Sehen
her auch einige der Mitbewohner meiner Station. Einige lernte ich noch besser
kennen….Eines Abends lag ich gegen neun Uhr in meinem Bett und las, als ich
plötzlich seltsame Geräusche aus dem angrenzenden Zimmer hörte. Da stöhnte
jemand laut. Ich ließ mein Buch sinken und lauschte. Könnte ja sein, dass derjenige
Hilfe brauchte? Soweit ich wusste, wohnte neben mir ein großer dunkelhaariger
Mann mit einem Vollbart, der mittels eines "Hirtenstabs", oder
fachlich richtig ausgedrückt, eines Hemi-Stocks lief.
Dieser ist absichtlich so lang
gehalten, damit sich der Träger nicht daran gewöhnen, sondern den Stock möglichst
bald entbehren kann. Sieht wirklich aus wie ein Hirtenstab, etwa einen Meter
achtzig lang und wird Halbseitengelähmten, die einigermaßen sicher ohne Gleichgewichtstörungen
gehen können, verordnet. Ich suchte immer unwillkürlich die Schafherde und den
Hütehund, wenn mir so ein Patient entgegen kam.
Dieser Mann war schätzungsweise Mitte
Fünfzig und konnte nicht sprechen. Wenn er mich auf dem Gang traf, lächelte er
auf meinen Gruß nur unsicher und nickte mit dem Kopf. Seine Frau, eine kleine
zierliche Brünette, war sehr oft da, begleitete ihn zu den Therapien und - das
gefiel mir besonders gut - ging immer an seiner betroffenen Seite und hielt
seine Hand.
Komisch, jetzt hatte das Stöhnen
aufgehört, dafür knarzte in rhythmischen Abständen sein Bett. Und gleich darauf
stöhnte er wieder. Als ich gerade im Begriff war, auf meinen Rufknopf zu
drücken, um der diensthabenden Schwester Bescheid zu geben, dass mein Nachbar
wohl in Nöten war, hörte ich plötzlich auch eine helle weibliche Stimme, die
atemlos irgendetwas rief und dann.. ..kamen sie zusammen mit einem gemeinsamen
"Jaaaaa" zum Höhepunkt! Puh,
das wäre für mich und meine aktiven Nachbarn eine ganz schöne Blamage geworden,
wenn ich tatsächlich Alarm geschlagen hätte.
Ich griff innerlich feixend wieder zu
meinem spannenden Krimi, der plötzlich gar nicht mehr so spannend war. Das
Geschehen nebenan ließ mich nicht los. Ich beneidete meinen Zimmernachbarn,
fühlte mich aber gleichzeitig ermutigt. Wenn die beiden in der Lage waren,
trotz seiner Behinderung ein funktionierendes Sexleben zu haben, warum sollten
das dann Mark und ich nicht auch fertig bringen? Ich war wie elektrisiert. Mark
wollte mich kommenden Sonntag besuchen. Um ihn generalstabsmäßig zu verführen,
brauchte ich Unterstützung. So, wie
Weitere Kostenlose Bücher