ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Eindruck - gehen nur dorthin, um sich im
Wartezimmer mit Wildfremden über ihre diversen Krankheiten und sonstigen
Lebensprobleme zu unterhalten. Sie reagieren sogar eher unwillig über die
Unterbrechung, wenn sie dann zum Arzt hineingerufen werden. Mein Vorschlag zur
Kostendämpfung im Gesundheitswesen wäre, sogenannte Wartezimmer-Termine zu
vergeben, einfach Zeiten, wo sich solch auskunftsfreudige Menschen treffen und
miteinander austauschen könnten, die Anwesenheit eines Arztes wäre hierbei
überflüssig…. Allein die Tatsache, mal darüber gesprochen zu haben, ohne dafür
bezahlen zu müssen, verschafft vielen Menschen Erleichterung!
Zurück zu meinem Friseurtermin: Entspannen
war nicht drin, da meine Sitznachbarin
links von mir - eine sehr korpulente Mittsechzigerin - an verbalem Durchfall litt. Nachdem sie
zunächst in epischer Breite ihre Krankheitssymptome (meine Kurzfassung:
leichter Schlaganfall, keine bleibenden Schäden, die nicht vorher schon
vorhanden waren) aufgezählt hatte, beschwerte sie sich bei ihrer Haarstylistin lautstark
über die Frau ihres Sohnes. Ihr feistes Doppelkinn zitterte vor Empörung wie
Wackelpudding, als sie mit zusammengekniffenen gemein blickenden
Schweinsäuglein in grauenvollem Dialekt los legte:
" Also wissen´s, mei
Schwiegadochta, die elende Loas
(Übersetzung: das schlimme Luder), die
hot doch tatsächlich meim Buam mit am Nachboarn betrogn! Zwoa Kinda hot´s (mir drängte sich
unwillkürlich die Frage auf, ob von besagtem Nachbarn oder von ihrem Mann, aber
ich konnte und wollte ihre interessante Tirade nicht rüde unterbrechen), und
mei armer Fredi bleibt trotzdem bei ihra. Hochkant nauswerfen dad i´s, wenn er
mi lossn dad!" Ihre Friseuse, die ohnehin keine Chance hatte, zu Wort zu
kommen, gab ein missbilligendes "Tssss" von sich. Die besorgte Mutter
ließ sich weiter über die Nachteile ihrer Schwiegertochter aus, während ich
sinnierte. Wenn der Sohn meiner Nachbarin auch nur ansatzweise nach seiner Mama
kam, dann hätte ich ihn gar nicht geheiratet, oder ebenfalls mit dem Nachbarn
ein bisschen Vergnügen in meinem trostlosen Alltag gebracht! Und im Übrigen ist
das Sache zwischen den Eheleuten, geht die Alte überhaupt nichts an, fand ich,
aber als höflicher Mensch mischte ich mich grundsätzlich nicht in andere
Gespräche ein!
Nach eineinhalb Stunden rollte ich mit
frisch gewaschenen, an den Spitzen
geschnittenen, geföhnten Haaren wieder nach draußen. Vor der Tür blickte eine
jüngere Frau in einem schicken roten Jogginganzug mit einem bunten Tuch über
dem Kopf neidvoll nach innen und wandte sich dann zu mir: "Schön frisiert
sind Sie!" Ich bedankte mich für das Kompliment, da fuhr sie schon fort:
"Wissen Sie, ich würde zu gerne eine schöne Frisur machen lassen, aber das
dauert bei mir leider noch eine ganze Weile." Sie deutete auf ihren Kopf.
"Ich bin wegen einer Gehirnblutung
vor vier Wochen operiert worden, und deswegen hat man mir den ganzen Kopf kahl
rasiert. Ich kann´s kaum erwarten, bis mein Haar wieder nachgewachsen
ist." Ich drückte ihr mein Bedauern darüber aus und sagte ihr
taktvollerweise nicht, dass ich mit meinem operierenden Arzt mehr Glück gehabt
hatte als sie. Als wir uns einen schönen Tag gewünscht hatten und sie in
Richtung Kiosk davon ging, hielt sich mein Bedauern in Grenzen, denn sie bewegte
sich völlig unbefangen, hatte normal gesprochen und sie besaß wenigstens die
Sicherheit, dass ihr Haar nachwuchs, während ich nicht wusste, ob und wann ich
wieder völlig meinen früheren Gesundheitszustand erreichen würde!
Am Samstag kreuzte Sabine mit einer
überdimensionalen Reisetasche bei mir auf. Nach der Begrüßungsumarmung und
ihrer Versicherung, ich sähe bereits um Klassen besser aus als noch in der
Klinik, deutete ich lachend auf die Tasche: "Hast du genug von deiner
Familie? Ziehst du bei mir ein?"
"Oh nein, das ist alles für
dich." Mit einer theatralischen Geste öffnete sie den Reißverschluss und
förderte nach und nach folgendes zutage: Einen elektrischen Rasierapparat, einen
Einmalrasierer, Ersatzklingen, Rasierschaum, Vergrößerungsspiegel, eine
Pinzette, Nagellack, diverse Packungen halterloser schwarzer Seidenstrümpfe in
verschiedenen Stärken -"damit du Auswahl hast und ihr auch welche
kaputtmachen könnt!" - zwei Garnituren zarte schwarze Spitzenunterwäsche
und zwei enganliegende schwarze langärmelige Oberteile, eines mit V- und eines
mit einem tiefen runden Ausschnitt. Dazu
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