ZITRONENLIMONADE (German Edition)
auszutesten.
Unglücklicherweise erzählte ich Peter von meinem Vorhaben. Er beschwor mich
regelrecht, das keinesfalls auszuprobieren.
"Sie werden sich eine völlig
falsche Gangart angewöhnen, die Sie nie wieder korrigieren können, Haben Sie
Geduld, bis wir soweit sind", erklärte er eindringlich. Ich sagte nichts,
aber in mir stieg der Trotz hoch wie bei einer Dreijährigen. Der konnte mich
mal! Sollte er doch selber mal einen Tag lang ständig im Stuhl hocken und
Geduld aufbringen. Die war bei mir jetzt endgültig erschöpft! Wenn ich warten
würde, bis er mit mir das Gehen übte,
dann würde ich schwarz, denn Peter war nicht von der schnellen Truppe, oh nein!
Von da an fuhr ich zur"
Rennstrecke", und zwar täglich, immer kurz vor den Hauptmahlzeiten, da waren
alle auf dem Weg zum Speisesaal. Man durfte bis zu einer Viertelstunde später
zum Essen erscheinen und die Zeit nutzte ich, um ganz ohne Publikum zu üben.
Zuerst stand ich lediglich am Geländer, versuchte, beide Beine gleich zu
belasten und nach unten zu sehen, ohne das mir schwindelig wurde. Das war unmöglich,
da mir in der Senkrechten immer schwindelig wurde, oft sogar im Rollstuhl, wenn
ich schneller fuhr. Mein Gleichgewichtsgefühl war massiv gestört. Auch meinen
rechten Fuß spürte ich nicht, wenn ich ihn aufsetzte, ich musste also immer
hinsehen, ob er auch richtig stand.
Als ich mich ans Stehen gewöhnt hatte,
ging ich vorsichtig jeweils ein paar Schritte nach links oder rechts und zurück,
bis ich wieder zurück in den Rollstuhl absitzen konnte. Hört sich viel
einfacher an, als es war. Ich zog das rechte Bein einfach nur irgendwie nach,
oft sah ich erst beim Runtergucken, dass der Fuß am Knöchel seitlich im Neunzig-Grad-Winkel
abgeknickt war. Das Fatale daran war, ich spürte am Anfang nichts! Es tat nicht
weh, es war, als ob das Bein nicht zu mir gehörte…Aber das "Laufen"
tat mir insgesamt gut. Ich spürte, wie ich allein davon kräftiger wurde. Nach
dem denkwürdigen Sonntag mit Mark hielt mich nichts mehr und am Montag darauf
schaffte ich es zum ersten Mal, rings um das ganze Geländer zu "gehen",
bis ich wieder am Rollstuhl ankam.
Mark kam in der Folgezeit zweimal pro
Woche zu mir. Das zwang mich, mit meiner Schönheitspflege immer auf dem
Laufenden zu sein. Er brachte mir auch fast jedes Mal neue Dessous mit, die ich
ihm beim nächsten Besuch vorführte, bis er sie mir förmlich vom Leib riss.
Eineinhalb Wochen nach der denkwürdigen
Wiederaufnahme unseres Intimlebens, an einem Mittwoch, führte ich ihm abends,
als alle beim Essen waren, meine "Laufkünste" an der Rennstrecke vor.
Er sah mir gespannt zu, wie ich hinfuhr, aufstand und meine Runde begann.
Zwischendrin verschnaufte ich kurz und warf einen Blick zu ihm hinüber. Er
schaute nicht zu mir, sondern starrte, ganz in Gedanken versunken, zu einem
Bild an der Wand. Ich konnte darauf nichts Besonderes entdecken, es war eine
Frauenstudie von einer Ballerina mit langem blondem Haar. Als ich fröhlich
" Erde an Mark! Gefällt dir die Tänzerin besser als ich? " rief,
schreckte er regelrecht hoch und zwang sich zu einem Lächeln.
"Entschuldige, Schatz", er kam zu
mir gelaufen und nahm mich in die Arme, "jetzt habe ich mich glatt von
einem Fall in der Kanzlei ablenken lassen. Ich muss morgen vor Gericht
plädieren und das geht mir ständig im Kopf herum." Er schilderte mir den
komplizierten Fall.
"Mark, du hättest nicht herkommen
sollen, wenn du morgen fit sein musst. Ich verstehe es doch, wenn du arbeiten
musst. Ruf mich doch einfach an und sag ab."
Er schüttelte den Kopf, hielt mich ganz
fest und legte seine Wange an meine. "Nein, Chris, ich habe dich im
Krankenhaus zu oft allein gelassen, das tut mir jetzt noch bitter leid. Du bist
so eine Kämpferin, ich bewundere dich für deine Kraft." Mir wurde warm ums
Herz, als ich seine Worte hörte. Ich fühlte mich ihm so nah wie schon lange
nicht mehr und war froh, dass er jetzt so viel Zeit mit mir verbrachte. Der
Abschied von ihm fiel mir gar nicht mehr schwer, da ich mich schon auf seinen
nächsten Besuch in ein paar Tagen freuen konnte.
Mittlerweile kannte ich auch schon sehr
viele meiner Mitpatienten, die ich generell in zwei Gruppen einteilen konnte:
Die einen waren zwar ernsthaft krank oder krank gewesen (Schlaganfall, Koma,
Multiple Sklerose, sonstige Lähmungen, Amputationen), aber wild entschlossen,
sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie arbeiteten hart an ihrer Genesung, machten
die
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