Zitronentagetes
mit Halbwahrheiten abzuspeisen. Also holte Marc mehr als einmal tief Luft und beantwortete geduldig ihre Fragen. Er musste zugeben, dass Rosie ein süßer, intelligenter Fratz war. Und sie ging ihm gehörig auf den Keks. Das tat sie doch, oder nicht? Sie hatte viel von ihrer Mutter. Plötzlich hielt er in seinen Überlegungen inne. Gefiel ihm etwa die junge Frau seines Vaters? Eine Frage, der er besser nicht nachging. Fakt blieb, dass sein alter Herr einen exzellenten Geschmack bei Weibern hatte.
George überredete ihn, einen Tag länger als vereinbart in Baltimore zu bleiben. Er wollte mit ihm in ein Autohaus gehen, um ein behindertengerechtes Fahrzeug zu bestellen. Marc musste es seinem Vater wohl hoch anrechnen, dass er es ein Kraftfahrzeug, das deinen Ansprüchen gerecht wird , nannte. Aber für ihn blieb es Ersteres.
Der Autoverkäufer machte sich eifrig Notizen: automatische Kupplung, Handbedienung von Gas und Bremse, Fabrikat, Farbe. Im Grunde waren Marc die beiden letzten Fragen herzlich egal, aber schließlich erwartete man von ihm eine Antwort.
»Ich verstehe, ich verstehe«, sagte der Verkäufer freundlich. »Wir haben hier einen ähnlichen Wagen, allerdings noch ohne die erforderlichen Umbauten. Wenn Sie einmal darin Platz nehmen möchten? Lassen Sie sich Zeit, ich setze nur eben den Kaufvertrag auf.«
»Ich brauche kein Probesitzen«, warf Marc missmutig ein.
Der Verkäufer schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht.
George wiegelte ab. »Schaden kann es doch nicht. Komm, mein Junge .« Er steuerte auf die Beifahrertür zu und bedeutete Marc, einzusteigen.
Folgsam schob er sich hinter das Steuer. Ein Schatten huschte vorbei und seine erschrockenen Hirnzellen kreischten: Bremsen!
Er begann unkontrolliert zu zittern. Seine Hände hielten das Lenkrad so fest umklammert, dass sich die Knöchel weiß färbten. Er hörte Metall bersten, die Welt um ihn herum schwankte. Panik ließ ihn erstarren, ein schweres Gewicht lähmte seine Atmung. Keuchend versuchte er, Luft zu holen.
8. Kapitel
D er April war ungewöhnlich warm und Flo verbrachte die meiste Zeit im Garten. Dank Johann Svenson, der in seinem Leben wohl Tausende von Blumenzwiebeln gesetzt hatte, verfügte sie nun über Unmengen von Tulpen, Narzissen, Kaiserkronen, Anemonen, Freesien und Hyazinthen. Sie band sie zu wunderschönen Frühlingssträußen und verkaufte sie an der Gartenpforte. Zwar kamen bereits die ersten Touristen, aber ihre Kunden waren eigentlich die Einheimischen. Bonny Sue nahm ihr gleich drei Sträuße für den Schönheitssalon ab.
Flo machte sich mal wieder Gedanken um Marc – das ärgerte sie. Seit er aus Baltimore zurück war, war er schlecht gelaunt und mürrisch. Was mochte dort vorgefallen sein? Als sie ihm die saubere Wäsche brachte, bedankte er sich zwar, würdigte sie aber kaum eines Blickes.
»Stimmt etwas nicht?«, wollte sie wissen.
»Wieso?«
»Keine Ahnung, kommt mir so vor .«
»Aha.«
Das war alles? Sie ließ ihn wohlweislich in Ruhe.
Nachmittags klopfte sie erneut an seine Tür. »Ich fahre einkaufen. Möchtest du mitkommen?«
»Nein.«
»Soll ich dir irgendetwas mitbringen?«
»Nein.«
Bitte sehr, das konnte er haben.
»Gut, dann schreib auf, wenn dir Zahnpasta, Klopapier oder Rasierschaum ausgehen. Ich kann nicht wissen, ob du etwas brauchst.«
»Okay.«
»Charly hat nach dir gefragt. Es geht um die neue Heizungsanlage.«
Wie auf Kommando steckte Charlotte Svenson den Kopf in die Küchentür. »Ich brauche einen Tee. Igitt, war das eben ein dreckiges Gebiss.«
Angewidert verzog Marc das Gesicht.
»Hi Marc. Hast du den Kostenvoranschlag fertig?«
»Ich bin drüber. Auf einmal soll es schnell, schnell gehen. Vor Jahren habe ich bereits zu einer neuen Heizung geraten.«
Hinter seinem Rücken warf Charly ihr einen fragenden Blick zu. Sie hob die Schultern.
*
Donnerstagvormittag klingelte Marc bei Curtis Zimmerman. Wie erwartet öffnete Aurelia Hart die Tür. »Oh, kommen Sie rein. Curtis ist leider nicht da. Waren Sie verabredet? Sein Dienst ändert sich ständig.«
»Schade«, murmelte er, obwohl er insgeheim davon ausgegangen war, den Arzt nicht anzutreffen.
»Sind Sie etwa den ganzen Weg gelaufen? Kommen Sie und setzen Sie sich.«
Angesichts ihrer Besorgnis meldete sich sein schlechtes Gewissen.
»Wie geht es Ihnen? Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
»Danke, nein.«
Einen Augenblick lang wussten beide nicht, was sie sagen sollten.
»Wie ich erfahren
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