Zitronentagetes
er endlich zwischen klappernden Zähnen hervor.
Er zog seine Daunenjacke aus und hing sie um Marcs Schultern. Tyler sah sich um, außer dem im Auto davonbrausenden anderen Mann konnte er keine Menschenseele ausmachen. Er musste Marc so schnell wie möglich ins Warme bringen.
*
»Hey, alles okay bei dir?« Finger berührten seine Wange, er bemühte sich, die brennenden Augen zu öffnen. Erst allmählich gelang das Unterfangen und er blinzelte die Tränen fort, die seinen Blick verschleierten.
Die Leichtigkeit, mit der Tyler ihn auf den Sattel bugsierte, verblüffte Marc. Für einen Rocksänger verfügte er über Bärenkräfte. Rührte bestimmt von der schweren, jahrelangen Feldarbeit im Hochsicherheitsgefängnis von ANGOLA, überlegte er zitternd. Er fror jämmerlich, daran konnte auch Tylers Jacke nichts ändern.
Tyler saß hinter ihm auf dem Sattel, hielt schützend die Arme um ihn geschlungen, während seine Hände sicher die Zügel führten. »Lehn dich ruhig gegen mich«, forderte er ihn auf, während er gegen den Wind anschrie.
Marc kam sich in seiner Schwäche erbärmlich vor, aber was nützte ihm jetzt falscher Stolz? Er gab nach, sein Körper sackte gegen Tylers Brust.
»Geht’s einigermaßen?«
Tylers Sorge rührte ihn. Er nickte nur, weil seine Zähne erneut heftig aufeinanderschlugen. Marc konnte beim besten Willen nicht sagen, wie lange sie bis zur O’Brian Ranch brauchten. Jedes Zeitgefühl war ihm abhandengekommen. Er wusste nur, dass er fror. So schrecklich wie niemals zuvor in seinem Leben.
»Wir sind da«, hörte er Tylers tröstliche Stimme in seinem Rücken. Die Bewegungen des Pferdes unter ihm wurden langsamer. Tyler hielt ihn noch immer fest, als er einen ohrenbetäubenden Pfiff ausstieß.
Marc schrak zusammen. Toby Webber, Tylers Vorarbeiter, stürzte aus der Scheune und sein Boss warf ihm die Zügel zu. Tyler glitt vom Pferd, ohne Marc loszulassen. »Komm schon, schwing dein Bein rum und rutsch runter. Ich halte dich, keine Angst.«
Er war viel zu erschöpft, um noch in irgendeiner Weise zu protestieren. Besser, er leistete der Aufforderung Folge.
Tyler legte sich seinen Arm um die Schulter und schleppte ihn ins Haus. Wärme umfing ihn, vor Dankbarkeit hätte er fast geheult, obwohl die Behaglichkeit nicht die nassen Klamotten zu durchdringen vermochte.
»Himmel, was ist passiert?« Die Haushälterin und Charlotte traten gleichzeitig hinzu.
»Lassen Sie Wasser in die Wanne laufen. Wir sind durchgefroren bis auf die Knochen.«
Schon machte sich Elvira an die Aufgabe und rannte die Stufen nach oben.
Auch Tyler schlotterte vor Kälte. »Schaffst du’s nach oben?«
»Geht schon wieder«, sagte Marc rasch mit einem Seitenblick auf Charlotte. Es war eine Sache, wenn Tyler seine Schwäche miterlebte, eine ganz andere jedoch, wenn Charlotte ihn in diesem Zustand sah. Ungeachtet dessen, dass er sich wie der letzte Idiot vorkam, nahm Charly seinen rechten Arm, Tyler den linken und sie machten sich gemeinsam daran, ihn sicher die Treppe hinaufzugeleiten.
»Jetzt macht aber mal ’nen Punkt«, entrüstete sich Marc und versuchte, sich Charlotte zu entziehen. Er gab sich kräftiger, als er in Wirklichkeit war.
Charlotte schüttelte den Kopf, zog die Brauen hoch, sagte aber kein Sterbenswort. Trotzdem konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre Lippen »Männer« formten. Sie schoben ihn in das geräumige Badezimmer, in dessen Ecke eine antik anmutende Wanne auf Klauenfüßen stand. Der weiße, duftige Schaum stieg von Minute zu Minute höher. »Da komm ich nie im Leben rein«, stellte er fest.
»Natürlich, wir helfen dir«, besänftigte ihn Tyler mit seiner tiefen Stimme. Der Gedanke an eine Wanne voll warmem Wasser war zu verlockend. Seine Finger waren vor Kälte so starr, dass es ihm kaum gelang, seinen Mantel aufzuknöpfen.
Charlotte übernahm das, während Tyler seine nassen Stiefel und Socken abstreifte. Das unkontrollierte Zähneklappern verursachte langsam Schmerzen in seinem Kiefer.
»Deine Lippe sieht böse aus«, sagte Charly, während sie ihm die Krawatte lockerte und über den Kopf zog.
Marc erhaschte einen Blick in den Spiegel und musste ihr recht geben. Von seinem Mundwinkel zum Kinn verlief eine Spur getrockneten Blutes.
»Hat etwas von einem eleganten Vampir, der Kontrast zu deinem schicken Anzug könnte größer nicht sein«, versuchte Charlotte, ihn aufzuheitern.
Anders als Josh, der in der Firma täglich Anzug und Krawatte trug, bevorzugte
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